Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj traf in Warschau erstmals mit einem schwierigen Partner zusammen, dem neuen rechtskonservativen Staatschef Karol Nawrocki. Am kommenden Wochenende verlagert sich die Suche nach einem Ausweg aus dem Krieg wieder in die USA. In Florida sollen die von Präsident Donald Trump eingesetzten Unterhändler getrennt mit Vertretern aus Moskau und Kiew sprechen. Die Schauplätze im Überblick:
Schauplatz Brüssel: Russisches Staatsvermögen vorerst verschont
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatten eigentlich erreichen wollen, dass eingefrorene russische Staatsguthaben für die Ukraine verwendet werden. Dies sah Belgien, wo ein Grossteil der russischen Milliarden liegt, als zu riskant an. Auch Frankreich und Italien stellten sich letztlich gegen den Plan.
Das neue Konzept sieht vor, der Ukraine aus dem EU-Haushalt einen zinslosen Kredit über 90 Milliarden Euro zu gewähren. Er soll den dringendsten Finanzbedarf der Ukraine in den kommenden zwei Jahren decken und dem Land eine Fortsetzung seines Abwehrkampfes gegen Russland ermöglichen. Ohne Geld aus der EU droht das Land ab dem zweiten Quartal in den Staatsbankrott zu rutschen.
Selenskyj sagte, das Geld werde in Verteidigung fliessen, solange der Krieg weitergehe, und in den Wiederaufbau, sollte er beendet werden. Die finanzielle Unterstützung der EU deckt zwei Drittel des Bedarfs der Ukraine von voraussichtlich mehr als 137 Milliarden Euro bis Ende 2027. Der Rest soll von Partnerstaaten wie Grossbritannien und Kanada kommen.
Schauplatz Moskau: Putin sieht Schuld bei der Ukraine
Putin wies zum wiederholten Mal jede Verantwortung für das Andauern des vor fast vier Jahren von ihm befohlenen Angriffskrieges zurück und gab der Ukraine die Schuld. In den laufenden Gesprächen gebe es von Kiew gewisse Signale für einen Dialog, Russland sehe aber im Kern keine Bereitschaft für einen Frieden, sagte er bei seiner Jahrespressekonferenz. Erneut antwortete der Kremlchef stundenlang auf Fragen von Journalisten und Bürgern.
Er begrüsste einmal mehr, dass US-Präsident Trump sich um ein Ende des Krieges bemühe. Bei seinem Treffen mit Trump in Alaska im August habe die russische Seite den US-Vorschlägen für eine friedliche Lösung des Konflikts praktisch zugestimmt, sagte er. Er wies zurück, dass Russland den Friedensplan ablehne. «Wir sehen uns nicht als verantwortlich für den Tod von Menschen, denn nicht wir haben diesen Krieg angefangen», sagte er.
Schauplatz Warschau: Präsident verlangt Dankbarkeit der Ukraine
Präsident Nawrocki sagte, Selenskyjs Besuch sei «eine gute Nachricht für Polen, für Warschau, eine gute Nachricht für Kiew», aber eine schlechte für Moskau. Er unterstrich die gemeinsame Forderung nach schärferen Sanktionen gegen Russland und ein Vorgehen gegen die Schattenflotte von Tankern, die russisches Öl transportieren, wie die Nachrichtenagentur PAP meldete.
Polen ist einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine und Drehscheibe für die internationale militärische Hilfe. Der rechtsgerichtete Präsident Nawrocki hat jedoch immer wieder die Sozialausgaben für Ukrainer in Polen bemängelt und Kiew fehlende Dankbarkeit vorgeworfen. Dies habe er auch im Gespräch mit Selenskyj fest, aber nett «und wie ein Gentleman» erwähnt, sagte er.
Selenskyj sagte, er hoffe mit Nawrocki auf eine neue Seite im ukrainisch-polnischen Verhältnis - «nicht nur als Nachbarn, sondern als zwei Elemente Europas, ohne die es in diesem Teil Europas keine Freiheit geben wird, keine Sicherheit geben wird». Er signalisierte Entgegenkommen im Streit um ein düsteres Kapitel der gemeinsamen Geschichte. Die Ukraine sei bereit, die Exhumierung der polnischen Opfer der Wolhynien-Massaker am Ende des Zweiten Weltkriegs zu beschleunigen. Von 1943 bis 1945 hatten ukrainische Nationalisten der Aufstandsarmee UPA dort etwa 100.000 Polen ermordet.
Schauplatz Miami: Trumps Leute reden mit beiden Seiten
Im US-Bundesstaat Florida sollen der Sondergesandte Steve Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner am Wochenende mit dem Kreml-Unterhändler Kirill Dmitrijew zusammentreffen. Dabei wird es um die jüngste Fassung eines Friedensplans gehen, wie sie am vergangenen Sonntag und Montag in Berlin besprochen worden ist. Auch ukrainische Unterhändler sind nach Angaben Selenskyjs wieder in den USA.
Ein Streitpunkt ist, dass Moskau von der Ukraine eine Preisgabe ihrer letzten Stellungen in den Gebieten Donezk und Luhansk im Donbass fordert. Auch Trump dringt darauf, weil der Krieg sonst nicht zu beenden sei. Für Kiew ist dies unannehmbar. Die Ukraine drängt ihrerseits auf verlässliche und rasch greifende Sicherheitsgarantien, falls Moskau wieder angreift. Die europäischen Staaten erwägen eine Friedenssicherung in und um die Ukraine mit eigenen Truppen. Russland lehnt Soldaten aus Nato-Ländern in der Ukraine strikt ab./fko/DP/men
(AWP)