Laut den CH Media-Zeitungen starb Bolliger an Krebs. Er habe die Migros mit viel Herzblut über Jahrzehnte geprägt, hiess es in einem Nachruf im Intranet des Detailhandelskonzerns.

Bolliger trat 1983 in die Migros ein. Zuerst übernahm er die Leitung der Abteilung Finanzen und später wurde er Geschäftsleiter der Genossenschaft Migros Aare. 2005 stieg der Aargauer zum Präsidenten der Generaldirektion des MGB auf und damit zum Konzernchef des «orangen Riesen». Er leitete den grössten Detailhändler der Schweiz bis Ende 2017.

Während seiner Amtszeit wuchs der Umsatz von 20,3 Milliarden bis auf 28,1 Milliarden Franken in seinem letzten Jahr 2017. Die Zahl der Mitarbeiter stieg unter Bolligers Regentschaft um knapp 20'000. Ende 2015 beschäftigte die Migros-Gruppe erstmals über 100'000 Personen.

Weniger konstant war die Profitabilität: Der Reingewinn kletterte zunächst von 545 Millionen Franken im Jahr 2004 bis auf 851,6 Millionen im Jahr 2010. Das ist immer noch das beste Ergebnis der Firmengeschichte, wenn man vom Ausnahmejahr 2020 absieht, als die Verkäufe der Warenhaustochter Globus und des Einkaufszentrums Glatt den Gewinn hochkatapultiert hatten.

Nach dem Höhepunkt von 2010 ging es aber mit der Profitabilität tendenziell nach unten. In Bolligers letztem Jahr 2017 fiel der Reingewinn auf 503 Millionen Franken. Das war das schlechteste Ergebnis in seiner Ära.

Denner gegen Aldi und Lidl

Den grössten Paukenschlag machte Bolliger kurz nach Beginn seiner Amtszeit: Im Jahr 2007 übernahm die Migros den Discounter Denner mit 2,6 Milliarden Umsatz. Damit wollte sich die Migros gegen die deutschen Billigkonkurrenten Aldi und Lidl wappnen. Während Aldi damals schon rund ein Jahr in der Schweiz tätig war, stand der Markteintritt von Lidl hierzulande erst bevor.

Zudem erweiterte der Migros-Konzern mit Denner sein Sortiment mit Alkohol und Tabakwaren. Beides ist in den orangen Läden unter Berufung auf Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler nicht erhältlich. Detailhandelsexperten bewerteten die Denner-Übernahme durch die Migros als Coup zur rechten Zeit. Seither wuchs der Discounter weiter und erreichte im vergangenen Jahr beinahe die Marke von 4 Milliarden Franken Umsatz.

Bolliger hat auch die Digitalisierung der Migros vorangetrieben. 2015 erwarb der Konzern den Onlinehändler Digitec/Galaxus, der mittlerweile zum mit Abstand grössten Onlineshop der Schweiz aufgestiegen ist. Auch die Cumulus-App wurde eingeführt.

Ausserdem stiess der Detailhandelsriese unter Bolliger mit der Investition in den Gesundheits- und Fitnessbereich sowie mit dem Verkauf und der Vermietung von Elektrofahrzeugen in ganz neue Geschäftsfelder vor.

Bolliger machte sich auch für umweltfreundliche Produkte und Prozesse stark. Er trieb die Einführung von Labels wie «Migros Bio» und «M-Check» voran und engagierte sich für die Reduktion des CO2-Fussabdrucks des Unternehmens. Zudem förderte er die kulturellen und sozialen Engagements der Migros und setzte sich für die Förderung von Bildung, Kunst und Sport ein.

Auch ein paar Flops

Wenig erfolgreich war dagegen der Kauf des Modehändlers Schild, der mit der Modeabteilung von Globus zusammengelegt wurde. Das Gleiche gilt für den Einstieg in den Abholgrosshandel, den die Migros ein paar Jahre später wieder verkaufte. 2020 trennte sich die Migros auch von der Warenhauskette Globus, deren Erosion sie nicht stoppen konnte.

Unter Bolligers Nach-Nachfolger, dem aktuellen Migros-Chef Mario Irminger, konzentriert sich der Riese wieder auf sein Kerngeschäft. Zahlreiche Töchter wie beispielsweise der Reiseveranstalter Hotelplan oder die Fachmärkte SportX, Micasa oder Melectronics wurden verkauft oder geschlossen. Das Elektrofahrzeuggeschäft ist unterdessen auch veräussert worden.

Nein zu Bier und Wein

Bolliger selber meldete sich nach seinem Abtritt Ende 2017 nur noch ein einziges Mal zum Thema Migros zu Wort: Er engagierte sich 2022 für ein «Nein» in der Alkohol-Abstimmung. Und er befand sich auf der Gewinnerseite. Die Genossenschafter lehnten den Verkauf von Alkohol in den orangen Läden wuchtig ab.

Die Migros gedenkt seiner mit einfühlsamen Worten: «Mit Herbert Bolliger verlieren wir nicht nur einen profunden Kenner des Detailhandels, der die Migros mit viel Herzblut über Jahrzehnte geprägt hat, sondern auch einen Menschen, der mit seiner Bodenständigkeit, seinem feinen Humor und seiner Menschlichkeit viele Herzen berührt hat. Sein unermüdlicher Einsatz für die Werte der Migros und sein Engagement für das Wohl der Gesellschaft bleiben unvergessen», heisst es im Nachruf.

jb/cg/bol

(AWP)