Die Euro-Währungshüter betonen trotz wachsender Sorgen um die Konjunktur mit der zehnten Zinserhöhung in Folge ihre Entschlossenheit im Kampf gegen die hartnäckige Inflation. Mit den Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Donnerstag könnte jedoch der Zinsgipfel im Euroraum erreicht sein.
Auf die Frage, ob die Tür für weitere Anhebungen offen bleibe, verwies EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf die im obersten Entscheidungsgremium der Notenbank abgestimmte Erklärung: «Auf Grundlage seiner aktuellen Beurteilung ist der EZB-Rat der Auffassung, dass die EZB-Leitzinsen ein Niveau erreicht haben, das - wenn es lange genug aufrechterhalten wird - einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Zielwert leisten wird.»
Der EZB-Rat werde dafür sorgen, dass die Leitzinsen «so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden», betonte Lagarde. Die Französin sagte aber auch: «Wir wollen damit nicht sagen, dass wir jetzt den Höhepunkt erreicht haben.»
Einlagenzins so hoch wie nie
Den Leitzins erhöhte die EZB um weitere 0,25 Punkte auf 4,5 Prozent. So hoch war der Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, zuletzt im August 2001. Der Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, erreicht mit nun 4,0 Prozent das höchste Niveau seit Bestehen der Währungsunion 1999. Sparerinnen und Sparer dürfen auf bessere Angebote von Banken und Sparkassen hoffen. Kredite könnten sich dagegen weiter verteuern.
Einige Ratsmitglieder hätten lieber eine Pause eingelegt, sagte Lagarde. Letztlich gab es ihr zufolge «aber eine solide Mehrheit, die mit der von uns getroffenen Entscheidung einverstanden war».
EZB: Inflation wird langsamer zurückgehen
Mit der beispiellosen Serie von Zinserhöhungen seit Juli 2022 stemmt sich die EZB gegen die hartnäckig hohe Teuerung. Mittelfristig strebt die EZB stabile Preise bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Im August lagen die Verbraucherpreise im Währungsraum einer Schätzung zufolge wie im Juli um 5,3 Prozent über Vorjahresniveau.
Für dieses Jahr sagt die EZB inzwischen eine Teuerungsrate von 5,6 (Juni-Prognose: 5,4) Prozent vorher. Für 2024 erwartet die Notenbank ebenfalls eine höhere Rate von 3,2 (Juni: 3,0) Prozent. Für 2025 wird nun mit einer Inflationsrate von 2,1 (2,2) Prozent gerechnet.
Konjunkturschwäche in Deutschland und im Euroraum
Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann. Weil teurere Kredite zugleich eine Last für die Wirtschaft sind, waren zuletzt Forderungen nach einer Zinspause lauter geworden.
So war Europas grösste Volkswirtschaft Deutschland im Winter zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte das Bruttoinlandsprodukt. Inflation, stockender Konsum und eine schwächelnde Weltkonjunktur machen der Exportnation Deutschland zu schaffen.
Auch die aktuelle EZB-Konjunkturprognose fällt pessimistischer aus als noch im Juni: Die Wirtschaft im Euroraum wird demnach in diesem Jahr um 0,7 Prozent wachsen und damit etwas weniger als die vor drei Monaten vorhergesagten 0,9 Prozent. Auch die Aussichten für das kommende Jahr sind mit 1,0 (Juni-Prognose: 1,5) Prozent gedämpfter.
Lagarde verteidigte den geldpolitischen Kurs: «Wir tun das nicht, um eine Rezession zu erzwingen.» Es gehe darum, Preisstabilität zu erreichen. «Wir müssen die Inflation senken.»
Immerhin gab es in den jüngsten Inflationsdaten einen Hoffnungsschimmer: Die Kernteuerung im Euroraum - die Rate ohne schwankungsanfällige Preise etwa für Energie und Lebensmittel - ging von 5,5 Prozent im Juli auf 5,3 Prozent im August zurück. Bei der Kernteuerung erwartet die EZB für das Gesamtjahr 2023 einen Wert von 5,1 Prozent und 2,9 Prozent im Jahr 2024.
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(AWP)