Fed-Gouverneur Jay Powell hat das Hauptanliegen der US-Notenbank in einer "hawkischen" Rede zur Inflation bestätigt: Die Kosten der geldpolitischen Straffung seien zwar für Haushalte und Unternehmen unglücklich, doch die Bekämpfung der Inflation habe absolute Priorität, denn die Geschichte warne vor einer verfrühten Lockerung der Geldpolitik.
In diesem Zusammenhang wird die Fed ihren Normalisierungsprozess mit mehreren Zinserhöhungen in den kommenden Monaten fortsetzen, und auf dem Markt wird die Möglichkeit einer weiteren Zinserhöhung um 75 Basispunkte im September neu bewertet. Das sagt Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income des US-Vermögensverwalters von Candriam.
EZB unter verschärftem Druck
Die Europäische Zentralbank könnte ihren Straffungsprozess ebenfalls beschleunigen, meint er. Einige EZB-Entscheidungsträger diskutierten eine Anhebung um 75 Basispunkte an der nächsten Sitzung ebenfalls im November.
"Inflationsbekämpfung um jeden Preis", folgert Candriam-Fixed-income-Experte aus der Rede von Jerome Powell. Das Statement ergebe ein dreifaches Fazit: Erstens, die Zentralbanken haben den Kampf gegen die Inflation noch nicht beendet. "Wir behalten eine kurze Duration." Zweitens, die nächsten Zinserhöhungen werden die Credit Spreads belasten. "Hier sind wir defensiv aufgestellt." Drittens, in Europa steigt das Risiko einer Fragmentierung der EU. "Wir sind bei italienischen Staatsanleihen defensiv aufgestellt", schliesst Forest daraus.
Luke Bartholomew, Senior Economist von abrdn, kommentiert: "Die Anleger hatten erwartet, dass Powell seine Rede nutzen würde, um sich gegen die jüngste Behauptung zu wehren, dass die Fed von ihrem aggressiven Straffungskurs abrücken würde. In diesem Sinne war die Rede keine Enttäuschung. Nach der Reaktion des Marktes zu urteilen, ging Powell jedoch noch weiter als erwartet, indem er die Absicht der Fed zur Inflationsbekämpfung betonte."
Rezession rückt näher
Der US-Notenbankchef habe zwar eingeräumt, dass dieser Prozess mit einigen wirtschaftlichen Schmerzen verbunden sein werde. "Doch sind die Fed und die Märkte immer noch zu optimistisch, was das Ausmass der zur Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts erforderlichen Konjunkturabschwächung angeht", mahnt Bartholomew.
Das Fed spreche nicht so gern über Rezessionsrisiken wie etwa die Bank of England. "Aber wir gehen nach wie vor davon aus, dass dieser Straffungszyklus letztlich genau dorthin führen wird", so der Ökonom des britischen Asset Managers.
Powell erinnere an den Erfolg seines Vorgängers Paul Volcker bei der Eindämmung der Inflation in den frühen 1980er Jahren nach 15 Jahren politischer Fehlschläge, betont Alan Mudie, CIO der Zuger Investmentboutique Woodman. Die Fed könne die Probleme der 1970er Jahre nur vermeiden, wenn sie jetzt entschlossen handle, habe Powell klargestellt.
"Higher for longer"
Seine Rede sei das klare Signal, dass die Leitzinsen der US-Notenbank noch länger höher bleiben werden als von verschiedenen Auguren angenommen worden war. "Die Erwartung von Zinssenkungen Anfang nächsten Jahres ist zu optimistisch", bemerkt Mudie. Es dürfe nicht vergessen werden, dass sich das Tempo der Reduzierung der Fed-Bilanz im nächsten Monat verdoppeln werde, von 47,5 Mrd. US-Dollar pro Monat auf 95 Mrd. Dollar.
Powells Rede zeige auch, dass die Fed ihrem Inflationsmandat Vorrang vor ihrem Vollbeschäftigungsmandat einräume, was eine Umkeh ihrer früheren Haltung darstellt. "Dies ist kaum ein günstiger Policy-Mix für eine übermässige Risikobereitschaft auf den Finanzmärkten", hält Mudie fest.
"Powells Rede war Rede war aggressiv, und wir erwarten, dass die Renditen von Staatsanleihen weiter steigen werden", erläutert Sandra Holdsworth, Head of Rates der niederländischen Aegon Asset Management. Jerome Powell habe erstens unterstrichen, dass die US-Wirtschaft nach wie vor eine starke Grunddynamik aufweise und besonders der Arbeitsmarkt nach wie vor unausgewogen sei.
Zweitens würden die Zinsen weiter auf einen restriktiven Kurs steigen und vor allem für einige Zeit dort bleiben. Dies liege zum Teil daran, erklärt Holdsworth, dass die Fed der Ansicht sei, dass es Zeit brauche, bis die Inflationskräfte nachlassen, "aber auch daran, dass es in früheren Inflationsphasen ein Fehler war, die Politik zu früh zu lockern."