Bis Freitag konnten sich Parteien und Organisationen in einer Vernehmlassung zu den vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen der Signalisations- und der Lärmschutzverordnung äussern. Konkret will der Bundesrat festhalten, dass bei einer Temporeduktion auf verkehrsorientierten Strassen wie Hauptstrassen die Hierarchie des Strassennetzes gewährleistet bleiben muss. Mit einem Gutachten soll jeweils geprüft werden, ob diese Voraussetzung erfüllt ist und dass die Massnahme keinen unerwünschten Ausweichverkehr durch die Quartiere verursacht
Der Schutz der Bevölkerung vor übermässigem Lärm des Strassenverkehrs soll zudem primär mit der Pflicht sichergestellt werden, verkehrsorientierte Strassen innerorts mit einem lärmarmen Belag auszustatten. Mit diesen vorgeschlagenen Änderungen will der Bundesrat auf eine von National- und Ständerat überwiesene Motion von Nationalrat Peter Schilligger (FDP/LU) reagieren.
«Massive Einschränkungen»
Der Bundesrat wolle damit Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen massiv einschränken, hiess es von der Grünen. Die Verordnungsänderung führe zu einer faktischen Schwächung von Tempo 30, «obwohl dies erwiesenermassen eine der wirksamsten Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und des Schutzes vor Lärm ist», schrieb die Partei in ihrer Vernehmlassungsantwort.
In die gleiche Kerbe schlägt der Verkehrsclub Schweiz (VCS). In seiner Vernehmlassungsantwort warnt er vor unerwünschten Folgen wie höheren Kosten, Sicherheitseinbussen und mehr Baustellen. Weil der Einbau und der doppelt so häufige Wechsel von lärmarmen Belägen zu mehr Baustellen und zu mehr Stau führe, würde in einer Gesamtbetrachtung die Priorisierung von lärmarmen Belägen die Strassenhierarchie gar schwächen, statt sie zu stärken, so der VCS weiter.
Eingriff in die Autonomie
Klar abgelehnt wird der Vorschlag auch von Städten und Gemeinden. In einem offenen Brief forderten rund 600 Städte und Gemeinden im November Verkehrsminister Albert Rösti dazu auf, den kommunalen Handlungsspielraum «keinesfalls weiter einzuschränken». Die bestehenden gesetzlichen Grundlagen sähen bereits heute klare Regeln für Geschwindigkeitsanpassungen vor, hiess es in einer gemeinsamen Mitteilung des Schweizerischen Städte- und Gemeindeverbands.
Die beiden Verbände lehnen insbesondere eine Verpflichtung zum Einbau von lärmarmen Belägen ab. Diese würde in den Städten zu substanziellen Mehrkosten führen, heisst es in den Vernehmlassungsantwort des Städteverbands.
«Grossflächige Ausweitung von Tempo-30»
Dass die Gemeindeautonomie bewahrt werden soll, betont auch die Mitte in ihrer Vernehmlassungsantwort. Insgesamt unterstützt die Partei die geplanten Änderungen jedoch. In vielen Fällen sei die Einführung von 30er-Zonen eher ideologisch motiviert, statt dass sie auf einer verhältnismässigen Analyse der Verkehrs- und Sicherheitsbedürfnisse beruhe, so die Partei. Das führe zu einer grossflächigen Ausweitung dieser Zonen.
Statt ausschliesslich auf lärmreduzierende Beläge zu setzen, fordert die Mitte aber, dass auch alternative Massnahmen geprüft werden, die möglicherweise kostengünstiger und effektiver sind - insbesondere in bergigen Regionen oder in Bereichen, in denen die Haltbarkeit solcher Beläge problematisch sein könnte.
Auch der Touring Club Schweiz (TCS) sieht die Richtung der Revision positiv. Der Vorschlag werde auch von der Bevölkerung gestützt, betonte der Verein in einer Mitteilung zur Vernehmlassung
SVP will zeitliche Begrenzung
Die SVP stimmt der Umsetzung der Motion zwar «grundsätzlich» zu, wie die Partei in ihrer Vernehmlassungsantwort schreibt. Der Vorschlag geht der SVP aber zu wenig weit. Die Partei fordert einige Anpassungen «um eine schleichende Einführung von generellem Tempo 30 durch die Hintertür zu verhindern».
Darunter etwa, dass eine Herabsetzung der Geschwindigkeit auf verkehrsorientierten Strassen zeitlich auf maximal 8 Jahre befristet wird, oder dass Ausführungsbestimmungen eingefügt werden, die sicherstellen, dass keine «künstlichen Behinderungen» wie Bushaltestellen auf der Fahrspur oder Fahrbahnverengungen eingebaut werden.
(AWP)