Die insgesamt schwache Lohnentwicklung der letzten zehn Jahre setze sich auch 2026 fort, teilte die Gewerkschafts-Dachorganisation Travailsuisse am Montag mit. Aus den meisten Lohnverhandlungen hätten nur geringe Zugeständnisse resultiert. Deutlich mehr Verhandlungen als in den Vorjahren seien gescheitert.

Nach zwei vergleichsweise besseren Jahren seien die Resultate für 2026 wieder ungenügend, führte Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travailsuisse, an der Medienkonferenz in Bern aus. «Auch im kommenden Jahr bleibt die Reallohnentwicklung schwach. Dies, obwohl die Arbeitgebenden pro Arbeitsstunde erneut mehr verdient haben», sagte Bauer weiter.

Erhöhungen durch Prämien zunichte gemacht

Travailsuisse hatte im Sommer zusammen mit seinen Mitgliedsverbänden Syna und Transfair - und ebenso wie der Schweizerische Gewerkschaftsbund - eine Nominallohn-Erhöhung von zwei Prozent gefordert. Bei einer erwarteten Inflationsrate von 0,5 Prozent hätte sich dadurch ein Wachstum der Reallöhne um 1,5 Prozent ergeben. Unter Berücksichtigung der höheren Krankenkassenprämien wäre man dadurch etwa wieder auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie gewesen.

Nun bilanzierte Travailsuisse, dass die «moderaten» Forderungen von den Arbeitgebern «bei weitem» nicht angenommen wurden. Gemäss eigenen Berechnungen hat die Gewerkschaft nur in 9 Prozent der erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen eine Lohnerhöhung von mehr als einem Prozent erreicht. In rund 35 Prozent der Fälle gab es eine Erhöhung zwischen 0,6 und 1 Prozent und in 57 Prozent 0,2 bis 0,5 Prozent.

Selbst bei den höheren Zugeständnissen würden die höheren Löhne durch die höheren Lebenserhaltungskosten, und da vor allem durch die höheren Krankenkassenprämien, sehr oft gleich wieder zunichte gemacht, befürchten Gewerkschaft und Verbände.

Einer Einordnung von Travailsuisse zufolge sind die Arbeitgebenden immer weniger bereit, höhere Erträge mit den Arbeitnehmenden zu teilen. Während die Anzahl genereller Lohnerhöhungen abgenommen habe, würden Arbeitgebende vermehrt auf individuelle Lohnerhöhungen oder Einmalzahlungen ausweichen, hiess es in der Medienmitteilung weiter.

Vereinzelt Lichtblicke

Nach Branchen sei die Kaufkraft bei Berufen im Ausbaugewerbe, bei Elektrikerinnen und Elektrikern, in der Reinigung und in Tankstellenshops gleich geblieben. Bei Arbeitnehmenden aus dem Autogewerbe, dem Holz- oder dem Metallbau sei sie hingegen gesunken. Ihre Löhne hätten um keinen Franken angehoben werden können, schrieb Travailsuise.

Teilweise noch nicht abgeschlossen werden konnten die Verhandlungen gemäss Transfair im Service Public. Laut deren Präsidentin Greta Gysin wird der aufgebaute Spardruck vielerorts auf Arbeitnehmende abgewälzt. Während Arbeitsbedingungen zunehmend unter Druck gerieten, würden Arbeitnehmende gleichzeitig weniger Anerkennung für ihre Leistung erfahren.

Travailsuisse berichtete aber auch von «Lichtblicken» in den Verhandlungen und nannte das Gesundheitswesen und den öffentlichen Verkehr als Beispiele. In den beiden Sektoren gebe es teilweise «etwas höhere Lohnerhöhungen». Positiv auf die Bilanz wirkten sich zudem die Erfolge der Vorjahre aus, insbesondere bei den Mindestlöhnen etwa bei den Coiffeuren.

Auch Unia unzufrieden

Ähnlich unzufrieden wie Travailsuisse hatte sich die Gewerkschaft Unia am Sonntag in einer Mitteilung geäussert. Die teilweise erreichten «realen Verbesserungen» würden nicht reichen. Der Nachholbedarf bleibe gross und die Zwischenbilanz der Lohnrunde falle ernüchternd aus.

Am Freitag hatten Unia und Syna immerhin einen Erfolg vermelden können: die Einigung mit dem Baumeisterverband. Der neue, von beiden Seiten noch zu ratifizierende Gesamtarbeitsvertrag in der gebeutelten Baubranche läuft über sechs Jahre und beinhaltet nicht nur bessere Bedingungen, sondern auch ein «Lohnpaket» mit einem Umfang von mehreren Prozenten.

(AWP)