Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten in den letzten zehn Jahren zu wenig am gestiegenen Wohlstand teilgenommen, hielt der SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard am Donnerstag vor den Medien in Bern fest. Es bestehe Nachholbedarf. Die Produktivität stieg demnach um elf Prozent, während die Reallöhne in etlichen Branchen kaufkraftbereinigt kaum höher als 2016 liegen.
Die generelle Lohnerhöhung könnten sich die Unternehmen leisten, sagte SGB-Zentralsekretär und -Ökonom David Gallusser. Die hohen US-Zölle seien zusammen mit dem starken Franken für gewisse exportorientierte Branchen eine Belastung. Der überwiegende Teil der Schweizer Wirtschaft, auch im Industriesektor, sei aber nicht direkt betroffen, was gegen 99 Prozent der Berufstätigen einschliesse, so Gallusser.
Kaufkraft zeitweise rückläufig
Gallusser sprach von einem grossen Nachholbedarf bei den Löhnen. Die Kaufkraft schwinde, zeitweise sei sie sogar rückläufig gewesen und zu viele Berufsleute müssten auch nach abgeschlossener Lehre mit zu tiefen Löhnen von unter 5000 Franken pro Monat leben.
Die Kaufkraft werde trotz sinkender Teuerung vor allem durch steigende Krankenkassenprämien und Mieten geschmälert. «Die Arbeitgebenden müssen sich stärker an den Gesundheitskosten beteiligen und einen Teil der Prämien übernehmen», sagte Gallusser.
Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia, betonte, dass eine generelle Lohnerhöhung von 2 bis 2,5 Prozent wichtig sei, um nicht in Gefahr zu geraten, dass sich die Lohnschere noch weiter öffne. Die Erhöhung sei auch gerechtfertigt, weil die Produktivität der Arbeitnehmenden stetig angestiegen sei und die Produktivitätsgewinne nicht zu den Kapitalbesitzenden umverteilt werden dürften.
Höhere Mindestlöhne gefordert
Für die von der Unia vertretenen Branchen forderte Alleva Mindestlöhne von 4500 Franken für Ungelernte und 5000 Franken für Arbeitnehmende mit einem Lehrabschluss. Das sei vor allem im Dienstleistungssektor, namentlich im Gastgewerbe, im Detailhandel in der Reinigung und im Bereich der persönlichen Dienstleistungen, also unter anderem im Coiffeurgewerbe, noch nicht der Fall.
Im von der Unia vertretenen Sektor Industrie werden der volle Teuerungsausgleich sowie eine Lohnerhöhung von 2,5 Prozent gefordert. Im Detailhandel, namentlich bei Coop, will die Unia eine Erhöhung um 100 Franken auf die effektiven Löhne durchsetzen. Im Gastgewerbe fordert die Unia gemäss Alleva im Rahmen der Erneuerung des Landes-Gesamtarbeitsvertrags unter anderem die Einführung von erfahrungsbezogenen Mindestlohnkategorien.
Auch für das Baugewerbe fordert die Unia Lohnerhöhungen, namentlich 2 bis 2,5 Prozent in Firmen des Ausbaugewerbes und mindestens 1 Prozent im Bauhauptgewerbe.
Bereits abgeschlossen seien die Verhandlungen im Reinigungsgewerbe der Deutschschweiz. Dort würden die Mindestlöhne auf Anfang 2026 generell um 3 Prozent, für die Absolventinnen und Absolventen des GAV-Lehrgangs um 5,4 Prozent angehoben.
Im Bankensektor stehen in Absprache mit den Personalvertretungen eine Lohnerhöhung innerhalb der Bandbreite von 2 bis 3 Prozent für tiefere und mittlere Einkommen zur Debatte, wie Esther Hess vom Schweizerischer Bankpersonalverband, der dem SGB angeschlossen ist, sagte.
Weitere Verbände stellen Forderungen
Mit Forderungen nach Lohnerhöhungen waren in den vergangen Tagen und Wochen bereits der Kaufmännische Verband und der Arbeitnehmenden-Dachverband Travailsuisse an die Öffentlichkeit getreten. Beide forderten Erhöhungen von bis zu, respektive durchschnittlich 2 Prozent.
Auch sie brachten sinkende oder stagnierende Reallöhne in den letzten Jahren zur Sprache. Und sie argumentierten wie der SGB, dass eine Reallohnerhöhung vor allem auch zum Ausgleich der stetig steigenden Krankenkassenprämien nötig sei.
(AWP)