Griechenland wählt am Sonntag ein neues Parlament. Ein neues Wahlsystem macht es dabei unwahrscheinlich, dass bereits nach dem ersten Urnengang ein eindeutiger Sieger feststeht. Dazu sind mehr als 46 Prozent der Stimmen notwendig. Die beiden Spitzenkandidaten müssen sich daher voraussichtlich darum bemühen, Verbündete zu finden. Andernfalls wird einen Monat später eine zweite Wahl notwendig.

Die Partei Neue Demokratie liegt in den Umfragen mit 32 bis 37 Prozent vorn. Sie könnte sich theoretisch mit der sozialistischen PASOK zusammentun, die mit acht bis elf Prozent an dritter Stelle liegt. Mitsotakis sagte jedoch in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters in dieser Woche, dass er "eine starke Einparteienregierung" vorziehe. "Die Erfahrung hat uns in Griechenland gelehrt, dass Einparteienregierungen viel stabiler sind als Koalitionsregierungen", sagte Mitsotakis.

Die einst mächtige PASOK hat nach der Unterzeichnung des ersten internationalen Rettungspakets für Griechenland im Jahr 2010 nur noch einstellige Werte erreicht. Seit 2021 versucht sie ein Comeback unter einem neuen Vorsitzenden, dem 44-jährigen Bauingenieur Nikos Androulakis. Die Beziehungen zur Neuen Demokratie wurden durch einen Abhörskandal im vergangenen Jahr getrübt. Androulakis monierte, der Geheimdienst habe seine Telefongespräche abgehört.

Die PASOK hat widersprüchliche Signale ausgesandt, ob sie einer Koalitionsregierung beitreten würde. "Wenn Mitsotakis oder Tsipras denken, dass die PASOK ihre Krücke für die Macht sein wird, sollten sie sich anderweitig umsehen", sagte Androulakis vor Anhängern. Die PASOK wirft Syriza auch vor, Versprechungen zu machen, die sie nicht erfüllen könne.

Syriza wiederum, die das Verhältniswahlrecht eingeführt hat, als sie an der Macht war, strebt eine breite Koalitionsregierung an. Sie hat die Griechen aufgefordert, ihr eine Chance zu geben - diesmal könne sie ohne die Auflagen des mit den Euro-Ländern vereinbarten harten Rettungspakets regieren, das ihren Handlungsspielraum stark einschränkte, als sie den Ministerpräsidenten stellte. Das Hilfsprogramm lief 2018 aus. Den Umfragen nach kann Syriza auf 27 bis 31 Prozent der Stimmen hoffen. Kommt es so, müsste sie sich mit mehr als zwei Parteien zusammenschliessen, um eine Mehrheit im 300 Sitze umfassenden Parlament zu erlangen.

"Ich lade Sie am Montag ein, sich nach dem grossen Sieg von Syriza, nach dem grossen Sieg unseres Volkes, der den Weg für eine fortschrittliche Regierung ebnen wird, an einen Tisch zu setzen", wandte sich Tsipras auf einer Wahlkampfveranstaltung direkt an die PASOK. Ein weiterer potenzieller Partner für den 48-jährigen Linken wäre sein marxistischer ehemaliger Finanzminister Yanis Varoufakis, der die kleine Partei Mera25 führt. Doch die Beziehungen zwischen den beiden sind seit 2015 abgekühlt. Damals musste Varoufakis zurücktreten, um Griechenlands drittes Rettungspaket mit den Kreditgebern der Eurozone zu sichern. Varoufakis hat einen Beitritt zu einer Koalition mit Syriza ausgeschlossen. Die Kommunistische Partei Griechenlands, die bei fünf bis sechs Prozent liegt, hat ebenfalls ausgeschlossen, sich an einer Koalition zu beteiligen oder eine Minderheitsregierung zu unterstützen.

Das Zünglein an der Waage könnte der rechtsgerichtete Kyriakos Velopoulos sein - ein Teilzeit-Fernsehmoderator, dessen Partei Hellenische Lösung es 2019 ins Parlament geschafft hat. Tsipras hat in der Vergangenheit eine Links-Rechts-Koalition angeführt. Velopoulos nannte die beiden grossen Parteien zuletzt allerdings "unzuverlässig".

(Reuters)