Verhaltener Optimismus bei Vermittlern
Es habe «bedeutende Fortschritte» gegeben, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Dienstag (Ortszeit) in Washington zu den Vermittlungsbemühungen. «Aber es ist noch nicht alles durch. (...) Die Teams arbeiten sehr, sehr hart daran, wir glauben, dass wir (einer Einigung) näher kommen.» Ähnlich äusserte sich ein Sprecher des katarischen Aussenministeriums: «Wir bleiben optimistisch, auch wenn es keine besonderen Entwicklungen gibt. Die Bemühungen gehen weiter, alle Seiten stehen in ständigem Kontakt zueinander.»
US-Präsident Joe Biden hatte am Vortag seiner Zuversicht Ausdruck verliehen, dass eine sechswöchige Feuerpause bis zum muslimischen Fastenmonat Ramadan in Kraft treten könnte. Die den Muslimen besonders heilige Festperiode beginnt um den 10. März. «Es geht nicht darum, es mit aller Gewalt bis zum Ramadan hinzubekommen, sondern darum, die beiden Seiten zum Abschluss des Deals zu bringen», sagte Kirby.
Die Konturen einer möglichen Vereinbarung zeichnen sich unterdessen immer deutlicher ab. Während der sechswöchigen Feuerpause solle die Hamas knapp 40 israelische Geiseln im Gegenzug für rund 400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen freilassen, berichtete der israelische Fernsehsender Channel 12 am Dienstagabend unter Berufung auf Regierungskreise.
Der Plan sieht demnach vor, dass 7 israelische Zivilistinnen gegen 21 palästinensische Sicherheitshäftlinge ausgetauscht werden. Für 5 israelische Soldatinnen würden 90 palästinensische Häftlinge freikommen, von denen 15 wegen schwerer Terroranschläge verurteilt wurden. 15 männliche Geiseln im Alter von über 50 Jahren würden gegen 90 weitere palästinensische Häftlinge, 13 männliche Geiseln mit schweren Krankheiten oder Verletzungen gegen weitere 156 palästinensische Gefangene ausgetauscht werden. Ausserdem sollen 40 weitere Palästinenser freikommen, die 2011 bei einem Austausch gegen den von der Hamas entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit freigelassen wurden und seitdem erneut in israelische Haft gelangt sind.
Israel bleibe aber pessimistisch, dass es zu einer zügigen Vereinbarung komme, berichtete Channel 12. Die Hamas hält wiederum - wie ein Sprecher am Montag in Beirut betonte - an ihrer Forderung nach einer permanenten Feuerpause fest, auf die Israel nicht eingehen will. Der jüdische Staat möchte sich die Möglichkeit der Fortsetzung des Krieges vorbehalten, um die Hamas im Gazastreifen vollständig zu zerschlagen. Die Vermittlerstaaten sehen wiederum in einer vorerst befristeten Waffenruhe die Chance, in weiteren Verhandlungen zu einer umfassenden Friedenslösung zu gelangen.
Bald 30'000 Tote im Gaza-Krieg
Auslöser des Gaza-Kriegs war ein beispielloses Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.
Die israelischen Streitkräfte weiteten indes ihren Einsatz in der Stadt Gaza aus. Bodentruppen gingen mit Unterstützung der Luftwaffe im Stadtteil Seitun gegen Kampfeinheiten der Hamas und Einrichtungen der islamistischen Terrormiliz vor, teilte das Militär am Dienstag mit. Unter anderem stiessen die Soldaten demnach auf eine Waffenproduktionsstätte, ein Waffenlager, Raketenabschussstellungen und militärische Ausrüstung. Zudem entdeckten sie den Angaben zufolge eine Gruppe von Hamas-Kämpfern in einem Tunneleingang, worauf sie den Schacht zerstörten und die Hamas-Männer töteten. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde meldete derweil, dass in den letzten 24 Stunden infolge der Kampfhandlungen im Gazastreifen 96 Palästinenser getötet und weitere 172 verletzt worden seien. Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober seien 29 878 Menschen ums Leben gekommen und weitere 70 215 verletzt worden. Die Angaben, die sich ebenfalls nicht unabhängig überprüfen lassen, machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und bewaffneten Kämpfern. Die Behörde verweist aber darauf, dass es sich bei einem hohen Anteil der Opfer um Frauen, Minderjährige und ältere Männer handle.
Militär hält Krankenwagen-Konvoi sieben Stunden lang fest
Das UN-Nothilfebüro OCHA warf dem israelischen Militär vor, einen Krankenwagen-Konvoi mit 24 evakuierten Patienten sieben Stunden lang aufgehalten zu haben. Das Militär habe alle Patienten, die laufen konnten, und die Sanitäter aus den Krankenwagen gezwungen, berichtete OCHA-Sprecher Jens Laerke am Dienstag in Genf. Darunter seien eine Schwangere und eine Mutter mit neugeborenem Baby gewesen. Der Zwischenfall hatte sich demnach am Sonntag vor dem Al Amal-Krankenhaus in Chan Junis ereignet. Der Konvoi sei von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geführt und ordnungsgemäss angemeldet und genehmigt gewesen.
«Das ist kein Einzelfall», sagte Laerke. «Hilfskonvois werden immer wieder beschossen und erhalten systematisch keinen Zugang zu den Menschen in Not.» Die israelische Armee teilte dazu auf Anfrage mit, dass sich in dem Konvoi zwei Sanitäter befunden hätten, die das Militär wegen möglicher Verwicklung in terroristische Aktivitäten festgenommen habe.
EU-Kommissar will Finanzmittel für Hilfswerk UNRWA
Der für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic drängte derweil auf eine weitere Finanzierung des in die Kritik geratenen UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA). «Wir müssen die Risikoumgebung, in der UNRWA tätig ist, anerkennen und dürfen nicht zu kollektiver Bestrafung greifen oder zum weiteren humanitären Zusammenbruch im Gazastreifen beitragen», sagte Lenarcic am Dienstag im EU-Parlament in Strassburg.
Deutschland und 15 andere Länder hatten zuletzt ihre Zahlungen an UNRWA eingefroren. Vorausgegangen waren israelische Vorwürfe, wonach einige Mitarbeiter der Organisation an den Massakern in Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen. Die EU arbeite konstruktiv mit dem Hilfswerk daran, interne Kontrollen zu stärken und das Personal zu überprüfen, sagte Lenarcic.
Deutsche Fregatte schiesst Huthi-Drohnen ab
Derweil hat die im Roten Meer zum Schutz von Handelsschiffen eingesetzte Fregatte «Hessen» erstmals einen Angriff der aus dem Jemen agierenden Huthi-Miliz abgewehrt. Das an der EU-Militärmission «Aspides» beteiligte Schiff schoss nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Dienstagabend zwei Drohnen kurz hintereinander ab. Es war der erste scharfe Waffeneinsatz der Deutschen Marine in dem am Freitag begonnenen Einsatz, der als gefährlichste Marine-Mission in der Geschichte der Bundeswehr gilt. Die mit dem Iran verbündete Huthi-Miliz will mit dem Beschuss von Handelsschiffen im Roten Meer ein Ende der israelischen Angriffe im Gazastreifen erzwingen.
Was am Mittwoch wichtig wird
Die Bemühungen um eine befristete Feuerpause im Gaza-Krieg gehen weiter. Die humanitäre Lage im Gazastreifen bleibt katastrophal./jac/nes/oe/jgl/gm/DP/zb
(AWP)