Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor erneut die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen als Bedingung für eine Waffenruhe genannt. «Ich möchte alle Arten von falschen Gerüchten, die wir aus allen möglichen Richtungen hören, beiseite legen und eines klarstellen: Es wird keine Waffenruhe ohne die Freilassung unserer Geiseln geben», sagte Netanjahu. Alles andere sei falsch. Unklar war jedoch, ob er damit die Freilassung aller 239 Geiseln auf einmal meinte.
Israel besteht demnach auf klare Abmachungen, um sicherzustellen, dass es nicht zu einer längeren Waffenruhe gedrängt wird, die als Sieg der Hamas gelten könnte. Nach Medienberichten befürchtet Israel, die angeschlagene Hamas könnte sich während einer längeren Feuerpause neu gruppieren. Diese könnte dann israelische Truppen im Gazastreifen gefährden. Unklar sei, ob im Rahmen einer Freilassung auch palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden sollen, schrieb die israelische Zeitung «Jediot Achronot.
Auch der Iran vermittelt bei der Freilassung von Geiseln
Parallel gibt es - davon unabhängig - Verhandlungen zwischen der Hamas und Thailand über die Freilassung von 23 thailändischen Geiseln, bei denen der Iran vermittelt. Irans Aussenminister Hussein Amirabdollahian hatte sich nach Angaben aus seinem Ministerium vor rund einer Woche mit seinem thailändischen Kollegen Parnpree Bahiddha-Nukara in der katarischen Hauptstadt Doha getroffen. Thailand habe den Iran gebeten, sich für die Geiseln einzusetzen.
Amirabdollahian habe das Thema folglich mit Hamas-Vertretern besprochen. Der Minister hatte sich in den vergangenen Wochen immer wieder mit der Führung der islamistischen Palästinenserorganisation ausgetauscht, so auch mit Hamas-Chef Ismail Hanija, der in Doha lebt. Die Hamas habe aber deutlich gemacht, Gefangene nur freizulassen, wenn israelische Angriffe auf Gaza stoppen würden.
Israels Armee rückt im Gazastreifen weiter vor
Israelische Bodentruppen nahmen nach Darstellung der Armee nach heftigen Kämpfen im nördlichen Gazastreifen einen Stützpunkt der islamistischen Hamas ein. Dieser liege im Flüchtlingsviertel Dschabalia, teilte das Militär am Donnerstag mit. An dem zehn Stunden langen Kampf seien neben Hamas auch der Islamische Dschihad beteiligt gewesen, hiess es. Viele Ortschaften im Norden des Gazastreifens sind in dem Krieg, der vor mehr als einem Monat begonnen hatte, weitgehend zerstört worden. Von der Hamas veröffentlichte Videos zeigen Kämpfe zwischen den Ruinen. Immer wieder sind darin Hamas-Kämpfer zu sehen, die Panzerabwehrraketen auf israelische Panzer abfeuern.
Israel geht davon aus, dass sich die militärische und politische Führung der Hamas in dem unterirdischen Tunnelsystem im Gazastreifen versteckt hält. Auch zumindest ein Teil der 239 Geiseln, die Hamas und andere bei dem Massaker in Israel verschleppt hatten, wird dort vermutet.
Vor gut einer Woche hatte ein israelischer Luftangriff auf ein Gebäude in Dschabalia schwere Folgen. Nach dem Angriff war ein Krater der Zerstörung in dem Flüchtlingsviertel zu sehen, von palästinensischer Seite war die Rede von Dutzenden Toten. Anwohner warfen Israel vor, ein Massaker angerichtet zu haben.
Die Armee teilte mit, es seien in Dschabalia ein Drahtzieher des Angriffs vom 7. Oktober sowie 50 Terroristen getötet worden. Nach UN-Angaben ist Dschabalia das grösste Flüchtlingsviertel im Gazastreifen.
Hilfsorganisationen bei internationaler Konferenz in Paris
Humanitäre Organisationen haben bei einer internationalen Hilfskonferenz in Paris auf die Öffnung weiterer Grenzübergänge für Lieferungen in den Gazastreifen gepocht. Die humanitäre Lage verschlechtere sich zusehends und eine Feuerpause sei notwendig, damit Hilfe die Menschen erreichen könne, sagten Vertreter internationaler Organisationen. An der eintägigen Konferenz nahmen Staaten, internationale Organisationen und in Gaza tätige NGOs teil.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der das Treffen anberaumt hatte, sagte: »Wir brauchen eine sehr schnelle humanitäre Pause und müssen auf einen Waffenstillstand hinarbeiten. Es muss der Raum geschaffen werden, den die humanitären Akteure benötigen, um in Gaza tätig zu werden."
Weitere Eskalation im Westjordanland
Bei einem israelischen Militäreinsatz in Dschenin im Westjordanland sind nach palästinensischen Angaben mindestens neun Menschen getötet worden. 15 weitere seien verletzt worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Laut der israelischen Armee griff eine Drohne während des Einsatzes bewaffnete Einwohner in dem Ort an.
Dschenin gilt als Hochburg militanter Palästinenser. Es kommt dort immer wieder zu Razzien der israelischen Armee. Die Lage im Westjordanland hat sich seit Beginn des Krieges deutlich verschärft. Insgesamt 167 Palästinenser wurden laut palästinensischem Gesundheitsministerium getötet. Es gibt auch verstärkt Berichte über Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser.
Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt./arb/DP/mis
(AWP)