«Europa begeht industriellen Selbstmord», erklärte der Chef des Ineos-Tochterunternehmens Ineos Inovyn, Stephen Dossett. «Während die Konkurrenz in den USA und China von billiger Energie profitiert, werden die europäischen Hersteller durch unsere eigene Politik und das Fehlen eines Zollschutzes vom Markt verdrängt.» Die Chemikalien aus China seien auch deshalb so billig, weil sie häufig mit günstigem Öl und Gas aus Russland hergestellt seien.
Der Markt werde von emissionsreichen Importen überschwemmt. «Das ist völlig untragbar und wird zu weiteren Schliessungen, Arbeitsplatzverlusten und einer höheren Abhängigkeit von anderen Regionen bei wichtigen Rohstoffen führen, wenn nicht sofort Abhilfe geschaffen wird.» Moderne und effiziente europäische Werke müssten schliessen, während die Emissionen weltweit stiegen. «Dies ist nicht nur wirtschaftlicher Irrsinn. Das ist ökologische Heuchelei.» Europas Wettbewerbsfähigkeit breche ein, monierte der Manager.
Gladbeck wird auch dichtgemacht
Es ist nicht das erste Mal, dass Ineos einem Werk den Stecker zieht: Den Angaben zufolge wurden Standorte im britischen Grangemouth und im belgischen Geel bereits geschlossen, die Schliessung eines Werks in Gladbeck (Kreis Recklinghausen) wurde im Sommer verkündet - dort sind 279 Arbeitsplätze betroffen. Nun folgt die nächste Hiobsbotschaft für die Belegschaft des Unternehmens, dessen Holding in Grossbritannien sitzt und das in Köln eine starke Präsenz hat - dort sind Firmenangaben zufolge rund 2.500 Menschen für Ineos tätig.
In einem der Rheinberger Werke, die nicht fortgeführt werden sollen, produziert die Firma bislang Allyl-Chemikalien, die für sogenannte Epoxidharze gebraucht werden. Die wiederum kommen bei der Produktion von Gütern für die Verteidigung, Luft- und Raumfahrt, Autoindustrie und Erneuerbare-Energien-Industrie zum Einsatz. Ausserdem stellt Ineos in Rheinberg Chlor her, das unter anderem für Medikamente und die Abwasserentsorgung genutzt wird.
Tiefe Sorgenfalten beim Branchenverband
Ineos ist kein Einzelfall, die ganze deutsche Industriebranche ist unter Druck. Vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) heisst es, bei den Unternehmen herrsche Krisenstimmung. Hoffnungen auf eine konjunkturelle und wirtschaftspolitische Wende seien verflogen. «Die Industrienation Deutschland hat heftig Schlagseite», sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Grosse Entrup kürzlich und warnte die Politik, den Untergang zentraler Branchen zu riskieren.
Der Verbandschef mahnte rasche Reformen und eine Reduzierung von Stromkosten, «Monsterbürokratie» und «irrer» Regulierung. «Wenn die Politik jetzt nicht handelt, verlieren wir nicht nur Anlagen und Arbeitsplätze.» Die industrielle Zukunft stehe auf dem Spiel./wdw/DP/stk
(AWP)