Die Zustimmung von 68,7 Prozent zum zum Energie-Mantelerlass - oft auch Stromgesetz genannt - hatte sich in den Abstimmungsumfragen abgezeichnet. Bundesrat, Parlament, die grossen Parteien sowie wichtige Umweltverbände haben sich nun durchgesetzt.
Die Fondation Franz Weber hatte die Vorlage mit dem Referendum bekämpft, zusammen mit einem Bündnis um den Neuenburger Pierre-Alain Bruchez und dem Verband Freie Landschaft Schweiz. Auch die SVP-Basis war dagegen - die Parteispitze um den neuen Präsidenten Marcel Dettling hatte den Delegierten die Nein-Parole empfohlen.
Alle Kantone sagten Ja, am deutlichsten Basel-Stadt mit 76,2 Prozent. Die geringste Unterstützung kam aus dem Kanton Schwyz mit 57 Prozent Befürwortern. Zürich sagte mit 72,2 Prozent Ja, Bern mit 70,8 Prozent. Nein-Gemeinden gab es aber etliche, vorwiegend in ländlichen Regionen.
Die Befürworter sehen sich nun bestätigt. Die Stimmbevölkerung fordere «unmissverständlich mehr sauberen Schweizer Strom», schrieb zum Beispiel der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. Die FDP forderte von den Umweltverbänden, den Entscheid zu respektieren und sich mit Einsprachen zurückzuhalten.
Pochen auf Versprechen
Die Verliererinnen und Verlierer pochen auf Versprechen der Befürworterseite. Vera Weber von der Fondation Franz Weber erinnerte ans Versprechen etwa, dass acht Prozent der Solarpanels auf Dächern installiert würden. Auch habe Bundesrat Albert Rösti versprochen, dass die demokratischen Rechte der Gemeinden nicht angetastet würden.
Die SVP wiederum will prüfen, ob der Zubau von erneuerbaren Energien zu teurerem Strom führe, wie der Berner Nationalrat Thomas Knutti sagte. Ein Auge haben will die SVP auch darauf, ob die von den Befürwortern genannte Maximalzahl von 150 bis 200 neu zu erstellenden Windrädern eingehalten werde.
Für Rösti ist das Ja zum Energie-Mantelerlass ein Meilenstein auf dem Weg zur sicheren Stromversorgung und zugleich ein Ausgangspunkt, wie er am Sonntag in Bern vor den Medien sagte. Auf dem eingeschlagenen Weg müssten nun noch viele Schritte kommen für den Um- und Ausbau der Stromversorgung.
Zwanzigjährige Verfahren für die Projektierung neuer Anlagen und Netzbauten könne sich die Schweiz nicht leisten, sagte Rösti. Dem Beschleunigungserlass, der der Planung und Bewilligung von grossen Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken Schub geben soll, werde eine Beschleunigungsvorlage für das Stromnetz folgen. Die Vernehmlassung dazu werde bald starten.
Offene AKW-Frage
Aufs Tapet kommt nun auch wieder die Atomenergie-Frage. Es sei Zeit, einen Schlussstrich unter die Atomkraft zu ziehen, schrieb Greenpeace. Die Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» hingegen fordert eine Aufhebung des AKW-Bauverbots. Der Bundesrat hat noch nicht Stellung bezogen dazu.
Ziel des Energie-Mantelerlasses ist es, mehr einheimischen Strom zu gewinnen, die Stromversorgung im Winter abzusichern und weniger abhängig vom Ausland zu werden. Er gibt Mindestproduktionsmengen für Strom aus erneuerbaren Quellen vor. Der Import von Strom im Winter soll netto nicht höher als fünf Terawattstunden sein.
Die Vorlage regelt die Planung grosser Sonnenenergie- und Windkraftanlagen. In Eignungsgebieten, die die Kantone mit Rücksicht auf Natur- und Landschaftsschutz sowie die Landwirtschaft in den Richtplänen bezeichnen müssen, soll Energiegewinnung grundsätzlich Vorrang haben. Die Bevölkerung behält aber Mitspracherechte.
Auch will die Vorlage den Energie- und Stromverbrauch pro Kopf drosseln, und sie enthält Vorschriften für eine Wasserkraftreserve. Für 16 explizit aufgelistete Aus- und Neubauten von Speicherwasserkraftwerken in den Bergen gibt es planerische Erleichterungen und gegenüber heute weniger Mitsprachemöglichkeiten.
Der Bau kleiner Solaranlagen auf Dächern und an Fassaden soll mit dem Stromgesetz ebenfalls vorankommen. Denn dort wird das grösste Potenzial für den Ausbau der Solarstrom-Produktion gesehen.
(AWP)