Das Urteil an sich bindet erst einmal nur die Schweiz, hat aber grosse Signalwirkung. Denn: Der EGMR mit Sitz im französischen Strassburg gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Zum Europarat zählen die EU-Staaten, aber auch andere grosse Länder wie die Türkei oder Grossbritannien. Das Urteil könnte nun also ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen nicht nur vor dem EGMR, sondern vor unzähligen nationalen Gerichten werden.

Der Fall der Klimaseniorinnen war die erste Klimaklage überhaupt, die vor der Grossen Kammer des EGMR angehört wurde. Der Zusammenschluss der Schweizer Rentnerinnen wurde initiiert und unterstützt von Greenpeace. Die Seniorinnen argumentierten, dass sie durch ihr Alter besonders durch den Klimawandel gefährdet sind, beispielsweise wegen extremer Hitzewellen. Der Verein hat nach Angaben von Greenpeace über 2500 Mitglieder in der ganzen Schweiz mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren.

Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden. Denn der EGMR hat sich zwar zuvor schon mit Umweltemissionen - wie Lärm oder Luftverschmutzung - auseinandergesetzt, aber noch nie mit den CO2-Emissionen eines Landes. Zur Urteilsverkündung reisten mehrere Hundert Menschen an, auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Am gleichen Tag wurden auch zwei weitere Urteile im Zusammenhang mit Klimaschutz gesprochen: Zu den Klagen eines französischen Bürgermeisters gegen sein Heimatland sowie von portugiesischen Jugendlichen gegen 32 europäische Staaten. Beide wurden jedoch abgewiesen. Dem französischen Politiker fehle die sogenannte Opfereigenschaft, also dass er besonders betroffen sei, so die Richter. Die Jugendlichen hätten sich unter anderem zuerst in Portugal durch die Instanzen klagen müssen, bevor sie den Gerichtshof in Strassburg anrufen.

Sofia Oliveira, eine der jugendlichen Klägerinnen, sagte nach dem Urteil, dass sie natürlich enttäuscht sei, aber der Sieg der Klimaseniorinnen ein Sieg für sie alle bedeute./rew/DP/mis

(AWP)