Mit 23 zu 21 Stimmen sagte der Ständerat am Montag Ja zum vom Bundesrat entworfenen Gesetz über die Individualbesteuerung. Die Nein-Stimmen kamen von der Mitte- und der SVP- Fraktion. Noch gibt es aber Differenzen. Mit diesen hat sich nun der Nationalrat zu befassen, der die Vorlage im Herbst knapp angenommen hatte.
Kantone haben gehandelt
Der knappe Entscheid im Ständerat war zu erwarten gewesen, denn die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates hatte die Vorlage mit Stichentscheid von Präsident Hans Wicki (FDP/NW) gutgeheissen.
Wicki erinnerte im Rat an den Bundesgerichtsentscheid von 1984, wonach die Heiratsstrafe verfassungswidrig ist. «Es kann doch nicht sein, dass das Steuersystem mir vorgibt, ob ich heiraten soll oder nicht», meinte Thierry Burkart (FDP/AG). Befürworter argumentierten mit neuen Realitäten in der Gesellschaft und neuen Lebensmodellen.
Auf der Gegnerseite verwiesen etliche Voten auf die Kantone, die die Heiratsstrafe abgeschafft oder gemildert hätten. Werner Salzmann (SVP/BE) sprach von «ungerechtfertigten Eingriffen in die Lebensformen von Familien». Marianne Binder (Mitte/AG) warnte vor einem Steuermodell, das dazu erziehen wolle, mehr zu arbeiten.
Das neue Gesetz soll indirekter Gegenvorschlag sein zur Initiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» der FDP Frauen. Die Individualbesteuerung soll bis in einigen Jahren auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene eingeführt werden. Die Stimmempfehlung zur Volksinitiative selbst ist noch nicht beschlossen.
Anreize für höhere Pensen
Das Gesetz bringt für Zweitverdienerinnen und Zweitverdiener Anreize für höhere Arbeitspensen. Das soll die finanzielle Unabhängigkeit aller stärken und dem Arbeitsmarkt mehr Fachkräfte bringen, wie Befürworter argumentierten. Der Bundesrat rechnet mit 1,7 Millionen zusätzlichen Steuerdossiers.
Einkünfte und Vermögenswerte von Verheirateten sollen nach zivilrechtlichen Verhältnissen aufgeteilt werden, wie heute bei Unverheirateten. Die Kinderabzüge werden erhöht und grundsätzlich zwischen den Eltern hälftig aufgeteilt. Über die Höhe des Abzuges sind sich die Räte nicht einig.
Denn der Ständerat hat die Vorlage abgeschwächt: Mit Rücksicht auf Elternpaare mit ungleichen Einkommen beschloss er zunächst, dass Kinderabzüge vom einen auf den anderen Elternteil übertragen werden können, damit der Abzug nicht verfällt, wenn auf dem tieferen Einkommen keine Steuer fällig ist.
Umstrittene Kinderabzüge
Um die finanziellen Auswirkungen der zusätzlichen Abzugsmöglichkeit abzufedern, will der Ständerat den Kinderabzug weniger stark erhöhen, als Bundesrat und Nationalrat. Von 6800 Franken soll er lediglich auf 10'700 angehoben. Der Nationalrat beschloss die vom Bundesrat beantragten 12'000 Franken.
Eine Minderheit um Eva Herzog (SP/BS) wehrte sich vergeblich dagegen. Die Erwerbsanreize würden mit der Übertragung teilweise rückgängig gemacht, argumentierte sie. Auf die von der Mehrheit gewünschte Vorgabe, dass Verheiratete weiterhin eine gemeinsame Steuererklärung einreichen sollten, verzichtete der Ständerat.
Bei der Bundessteuer fliessen in der Version des Bundesrates und des Nationalrates pro Jahr 870 Millionen Franken weniger Einnahmen zugunsten Bund und Kantone.. Das ergaben neue Schätzungen. In der Version des Ständerates sind die Verluste tiefer.
Gründe sind der tiefere Kinderabzug und ein vom Ständerat beschlossenes Progressionsmodell für die Bundessteuer, das die SP beantragt hatte. Dieses drückt die Verluste nach neuen Berechnungen auf noch rund 380 Millionen Franken im Jahr, wie Eva Herzog (SP/BS) sagte. Im Nationalrat war ein ähnlicher Antrag abgelehnt worden.
Heute werden in der Schweiz Verheiratete und gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, gemeinsam besteuert. Gehen beide Personen einer Erwerbstätigkeit nach, müssen sie wegen der Progression teilweise höhere Steuern bezahlen als Konkubinatspaare mit zwei getrennten Steuerveranlagungen.
Die Vorlage geht zurück an den Nationalrat.
(AWP)