China bei EU-Import bereits vor Japan und Südkorea

«Chinesische Hersteller drängen massiv auf den europäischen Markt, und das mit durchaus wettbewerbsfähigen Produkten», berichtete Alexander Wachtmeister, Branchenexperte der Unternehmensberatung Boston Consulting, im Vorfeld der IAA. Laut dem europäischen Herstellerverband Acea wurden 2022 bereits 552 000 Autos aus China in die EU exportiert, sechs Prozent aller Neuzulassungen. Unter den Herkunftsländern ausserhalb der EU lag China damit erstmals auf Platz eins vor Grossbritannien, Südkorea und Japan.

Auf den deutschen Strassen seien die neuen Herausforderer bisher «noch wenig sichtbar», sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Am erfolgreichsten war bislang die Marke MG des VW -Partners Saic mit gut 17 000 E-Autos. Chinas Marktführer BYD, der dort gerade erst VW als Nummer eins abgelöst hat, kam in Deutschland bisher auf gut 1400 Fahrzeuge.

China als Fitnesscenter für Volkswagen und Co.

Die neuen Herausforderer erhöhen den Druck auf die europäischen Hersteller. «China ist für uns zum Fitnesscenter geworden», sagte Volkswagen-Chef Oliver Blume auf dem Kongress. Um dort mithalten zu können, müsse man auch selbst auf «China-Speed» kommen.

«Der Markteintritt chinesischer Hersteller wird die Innovation der europäischen Autoindustrie ankurbeln», sagte Wachtmeister. Bei Konnektivität und Infotainment müssten Europas Autobauer aufholen, die Kosten senken und das Tempo erhöhen.

Laut der Unternehmensberatung McKinsey dauert die Entwicklung eines Fahrzeugs in China nur halb so lang wie in Europa. Statt in vier schafften es die besten chinesischen Hersteller in zwei Jahren. Während alle deutschen Hersteller bisher insgesamt rund 160 E-Modelle im Programm haben, bringen die chinesischen jedes Jahr 70 neue auf den Markt. Und das zu günstigeren Preisen: Der Kostenvorteil liegt laut McKinsey bei 20 bis 30 Prozent.

Chinesen und BMW setzen auch auf Wasserstoff-Autos

WNEVC-Präsident Wan Gang betonte, China setze nicht nur auf Batterieautos (BEV), sondern auf eine Kombination von BEV-, Plug-in-Hybrid- und Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos (FCV). «Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein.» In Peking seien schon Tausende Taxis damit unterwegs.

BMW-Chef Oliver Zipse sagte, er könne sich Wasserstoff-Antriebe für die nächste Generation von BMW, die 2025 startende «Neue Klasse», vorstellen. «Wir sind überzeugt, dass Brennstoffzelle und BEV-Technik sich perfekt ergänzen. Wasserstoff ist das fehlende Verbindungsglied zu CO2-freier Mobilität für lange Strecken und in Regionen ohne ausreichendes Ladenetz.» Brennstoffzellen sparten knappe Batterie-Rohstoffe und Wasserstoff lasse sich gut speichern und transportieren.

Taiwan kein Thema: Autobosse peilen mehr Zusammenarbeit an

Chinas Drohungen mit einer Invasion der demokratischen Inselrepublik Taiwan und die möglichen Folgen für die deutsche Autobranche sprach auf dem WNEVC-Kongress niemand an. Stattdessen beschworen alle Teilnehmer unisono die «Win-win»-Aussichten einer vertieften Zusammenarbeit sowohl in China als auch in Europa.

Die deutschen Autobauer unterhalten grosse Fabriken in China, bauen ihre Forschung und Entwicklung vor Ort aus, verkaufen ein Drittel ihrer Fahrzeuge dort und brauchen Batterie-Rohstoffe und Bauteile aus China. Die chinesische Autobranche hat sich als Zulieferer etabliert und will nun auch mit dem Verkauf von Autos, Digitalisierungs- und Mobilitätsservices in Europa Geld verdienen.

Mercedes-Benz -Chef Ola Källenius forderte mehr Freihandel und Kooperation und warnte vor Protektionismus. Er hoffe auf eine engere und tiefere Zusamenarbeit mit seinen chinesischen Partnern. VDA-Präsidentin Hildegard Müller lobte den Kurs der Bundesregierung, die Wirtschaft nicht von China als Markt und Lieferant abzukoppeln, sich aber breiter aufzustellen. Als Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums mahnte Bernhard Kluttig eine faire und transparente Zusammenarbeit und einen fairen Wettbewerb an./rol/DP/ngu

(AWP)