Wichtig ist laut Stojanovic für einen Parteipräsidenten oder eine Parteipräsidentin, dass er oder sie die parlamentarischen Abläufe und die Agenda gut kennt. «Als ehemalige National- und Ständerätin kennt Mazzone das Parlament gut», sagte der Politologe. Trotzdem bedeute ein Parteipräsidium ohne Bundeshaus-Mandat einen klaren Mehraufwand. So müsse die 36-jährige Genferin im ständigen Kontakt mit der Parlamentsfraktion bleiben und etwa auch an Fraktionssitzungen teilnehmen.
Auch finanziell bedeute dies einen Nachteil, fügte Stojanovic an. Denn als Parlamentarierin oder Parlamentarier werde man für Fraktionssitzungen bezahlt. Wie Mazzone in einem Interview im «Tagesanzeiger» vom Freitag sagte, werde sie deshalb mehr Lohn als ihr Vorgänger Balthasar Glättli erhalten. «Für die Grünen ist es selbstverständlich, dass Arbeit entlöhnt wird und dass der Lohn zum Leben reichen soll. Bei 28'000 Franken wäre das nicht der Fall. Es wird deutlich mehr sein, aber den Betrag legt die Geschäftsleitung erst nach der Wahl fest», sagte Mazzone.
Gewisse Vorteile
In gewissen Punkten könnte es laut dem Politologen aber auch ein Vorteil sein, als Parteipräsidentin kein Mandat inne zu haben. «Man ist dadurch freier, sich über gewisse Themen zu äussern», sagte Stojanovic. Im Parlamentsbetrieb sei man unter Umständen in gewissen Themen gebremst, etwa weil man als Kommissionsmitglied an das Kollegialitätsprinzip gebunden sei.
Viel Erfahrung gibt es in der modernen Schweizer Politikgeschichte zu diesem Thema nicht. Bei den grossen Parteien wurde zuletzt im Jahr 1997 eine Politikerin ohne Platz im Bundeshaus zur Parteipräsidentin gewählt: Die Zürcher SP-Stadträtin Ursula Koch, die erste Präsidentin der SP-Schweiz. 1999 wurde sie zwar in den Nationalrat gewählt, im Jahr 2000 gab sie das SP-Präsidium und ihren Nationalratssitz dann aber aufgrund massiven parteiinternen Drucks und aus gesundheitlichen Gründen wieder ab.
Arbeit auf mehr Schultern verteilt
Betrachtet man auch die kleineren Parteien ist aber neben Mazzone noch eine zweite Parteipräsidentin in der Schweiz ohne Bundeshaus-Mandat: Die EVP-Präsidentin und ehemalige Nationalrätin Lilian Studer wurde bei den Wahlen im Herbst 2023 nicht mehr gewählt.
Ihrem Amt als Parteipräsidentin bleibt sie aber treu. «Es stimmt für unsere Partei so», sagte die 46-jährige Aargauerin auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Nach ihrer Nichtwiederwahl sei die EVP in einer internen Diskussion zum Schluss gekommen, dass sie nach wie vor die Richtige für das Amt sei. Als ehemalige Nationalrätin kenne sie den Parlamentsbetrieb, die Abläufe und die Leute im Bundeshaus, und könne so fundiert mitentscheiden, sagte Studer.
Eine Partei ohne Mandat zu präsidieren bedeute einen Mehraufwand, stellte auch Studer klar. Trotzdem sieht auch sie Vorteile: «Es ist viel Arbeit, die so auf mehr Schultern verteilt wird.» Sie merke, dass sie weniger ermüdet sei und mehr Kraft habe, seit sie nicht mehr beide Arbeiten parallel ausführe.
(AWP)