«Unmissverständliches Signal der Widerstandsfähigkeit»
Die EU habe sich dazu verpflichtet, der Ukraine so lange beizustehen wie nötig, schreibt Merz zur Begründung. «Ich bin der Überzeugung, dass es nun an der Zeit ist, dieses politische Versprechen mit einem Instrument zu unterlegen, das ein unmissverständliches Signal der Widerstandsfähigkeit nach Moskau sendet.» In den letzten Jahren sei man dabei nur auf Sicht gefahren. «Jetzt trete ich dafür ein, Finanzmittel in einem Umfang zu mobilisieren, der die militärische Durchhaltefähigkeit der Ukraine auf mehrere Jahre absichert.»
Nationale Haushalte würden entlastet
Bei Realisierung des Merz-Plans würden die EU-Staaten einen Grossteil der demnächst notwendigen Unterstützung für die Ukraine erst einmal nicht mehr aus ihren eigenen Haushalten finanzieren müssen. Stattdessen müssten sie nur noch Garantien für den Fall leisten, dass die eingefrorenen russischen Gelder unerwartet wieder freigegeben werden müssen.
Merz schreibt dazu: «Für diese umfassende Hilfe wird es Haushaltsgarantien der Mitgliedstaaten bedürfen.» Diese bilateralen Garantien sollten durch eine Absicherung über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU abgelöst werden, sobald der neue Haushaltsrahmen 2028 zur Verfügung steht. Die so zu mobilisierenden Mittel würden die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine für mehrere Jahre absichern. Der Kanzler will seinen Vorschlag nächste Woche beim informellen EU-Gipfel in Kopenhagen thematisieren.
Merz: «Zynisches Zeitspiel» Putins beenden
«Wir brauchen einen neuen Impuls, um Russlands Kalkulation zu ändern», schreibt Merz. «Jetzt müssen wir einen wirksamen Hebel ansetzen, um das zynische Zeitspiel des russischen Präsidenten zu durchkreuzen und ihn an den Verhandlungstisch zwingen. Das braucht den Mut und das Selbstvertrauen, eine eigene Agenda zu setzen, statt nur auf seine zu reagieren.»
Gleichzeitig wolle er «den tapferen Ukrainern neue Hoffnung» geben. «Wir senden damit auch die richtige Botschaft nach Washington: Den Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden müssen wir gemeinsam gehen.»
Es geht um 200 Milliarden Euro
Über die Nutzung des russischen Vermögens für die militärische Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland wird seit Monaten diskutiert. Es geht um rund 200 Milliarden Euro, die zum grossen Teil von dem in Brüssel ansässigen Finanzinstitut Euroclear verwahrt werden.
Die russischen Zentralbank-Gelder durch einen Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen, wird von vielen in der EU skeptisch gesehen - auch von Deutschland. Als Grund gelten rechtliche Bedenken, möglicher Schaden für den Finanzstandort Europa und wahrscheinliche Vergeltungsmassnahmen. Moskau hatte die EU bereits 2023 davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger zu konfiszieren.
Seit einiger Zeit wird angesichts der Hindernisse nach anderen Wegen der Nutzung des Vermögens gesucht. Einen Vorstoss dazu hat auch schon EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gemacht. Sie sagte vor rund zwei Wochen in einer Rede, man müsse dringend an einer neuen Lösung arbeiten, um auf Grundlage der eingefrorenen russischen Vermögenswerte die ukrainischen Kriegsanstrengungen zu finanzieren. Sie schlug dabei vor, der Ukraine auf Basis der liquiden Anteile ein Reparationsdarlehen zu gewähren. Die Vermögenswerte selbst sollten unberührt bleiben.
Vorstoss auch in deutschem Eigeninteresse
Dass Merz nun ebenfalls einen Vorstoss unternimmt, ist auch im deutschen Eigeninteresse. Deutschland steht bei der Finanzierung der Ukraine inzwischen ziemlich alleine in der ersten Reihe. Die Bundesregierung geht davon aus, dass man die USA bereits jetzt als bisher wichtigsten Unterstützer des von Russland angegriffenen Landes abgelöst hat. Da andere grosse europäische Länder wie Frankreich und Grossbritannien weitaus weniger zahlungsbereit sind, befürchtet man in Berlin, dass die eigene Last bald zu gross wird und die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Hilfe sinkt.
Klingbeil: «Wir brauchen maximalen Druck auf Putin»
Auch Finanzminister Lars Klingbeil betonte, dass man nun bereit sei, neue Wege zu gehen. «Wir brauchen maximalen Druck auf Putin, damit er seinen brutalen Krieg gegen die Ukraine endlich beendet. Das Töten muss ein Ende haben», sagte der Vizekanzler. «Wir müssen die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine weiter stärken und auf Jahre absichern. Und wenn es um den Wiederaufbau gehen wird, dann wird Putin für die Zerstörung durch seinen Krieg bezahlen müssen.»/mfi/aha/DP/stw
(AWP)