Inzwischen hätten sich die Zuflüsse allerdings wieder normalisiert, so Kunzelmann. Nach dem Kollaps der CS gelte es nun, den Fall sorgfältig aufzuarbeiten. Erst danach sollte eine Diskussion über eine strengere Regulierung oder höhere Kapitalquoten geführt werden, findet Kunzelmann. Und zwar «mit Blick auf Banken, die volatile Geschäfte betreiben und in verschiedenen Rechtsräumen aktiv sind.» Für Inlandbanken sei die Aufsicht bereits streng, hält er fest.
Die Eigenmittelquote von Minimum 14 Prozent für Regionalbanken hält Kunzelmann zwar für ausreichend. Für die Migros Bank allerdings seien 20 Prozent die Richtgrösse. «Doch nicht nur die Eigenkapitalvorschriften sollten im Zentrum stehen», sagt der CEO, denn Schweizer Banken seien gut kapitalisiert.
Vielmehr sollte man bei der Liquiditätshilfe für den Notfall durch die SNB ansetzen, ist er überzeugt: «Die Bank liefert werthaltige Sicherheiten und erhält im Gegenzug Liquidität, wenn es zu schnellen Rückzügen kommen sollte. So wäre genügend Liquidität gewährleistet», sagt Kunzelmann. Er sei von diesem Konzept überzeugt und arbeite mit der SNB daran.
Wachstum im Hypothekargeschäft
Kunzelmann geht für den Herbst von einer konjunkturellen Abschwächung in der Schweiz aus. Dennoch dürfte das Hypothekargeschäft weiter wachsen. Der CEO rechnet mit einem Plus von rund 3 Prozent. «Zwar hat das Preiswachstum bei Immobilien nachgelassen. Aber Handänderungen und Neubauten sorgen weiterhin für Wachstum.»
Zudem investierten Hausbesitzer vermehrt in die Nachhaltigkeit, etwa in die Fassadendämmung, umweltfreundlichere Heizungen, Photovoltaik oder E-Mobilität.
Ausbau des Filialnetzes
Trotz verstärkter Video-Beratung ist ein Abbau der Filialen bei der Migros Bank für Kunzelmann keine Option. «Wir werden das Netz eher ausbauen.» Dort, wo die Bank vor Ort präsent sei, habe sie auch höhere Marktanteile.
Seit vergangenem Herbst berät die Bank ihre Kunden auch in Postfilialen. Ein Ausbau «in der sicheren Umgebung der Postfilialen» sei eine denkbare Variante. «Das ist aus Vertriebs- und Kostensicht sinnvoll. Die Post gibt uns die Möglichkeit, innerhalb von 3 bis 6 Monaten eine Marktpräsenz aufzubauen, ohne dass wir eine eigene Infrastruktur brauchen.»
Dass die Migros seit 2019 keine Boni zahlt, hält Kunzelmann nicht für hinderlich bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden. «Wir suchen keine Turbokapitalisten, die nur ans Geld glauben. Die würden bei uns nicht glücklich», sagt er. Vielmehr suche man Banker, «die am besten passen» und «für die Migros brennen». Auch er selbst sei «keine geldgetriebene Person» und schätze es sehr, dass die Bank mit der Migros im Hintergrund einen langfristig orientierten Alleinaktionär habe.
In Bezug auf die Geschlechterfrage im Unternehmen gab Kunzelmann an, man habe «intern grosse Fortschritte gemacht, die Frauenquote zu erhöhen und viele Frauen in Senior Positionen eingestellt. Wenn einer der sechs Männer in der Geschäftsleitung gehe, sei ein weiblicher Ersatz »sicher ein Thema".
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(AWP)