Ein Nachtragshaushalt ist eine nachträgliche Veränderung eines bereits vom Parlament beschlossenen Etats. Der Bundestag zieht damit die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Das höchste deutsche Gericht hatte entschieden, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen darf.
Genau das hat er im Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) für die Energiepreisbremsen und im Fonds zur Fluthilfe aber gemacht. In diesem Jahr wurden Kredite genutzt, die der Bund nach dem Urteil eigentlich nicht hätte aufnehmen dürfen. Mit dem Nachtragshaushalt macht die Ampel-Regierung Ausgaben von 43,2 Milliarden Euro aus dem WSF und 1,6 Milliarden Euro an Aufbauhilfen rechtlich sicher.
Voraussetzung für den Etatbeschluss war, dass der Bundestag eine aussergewöhnliche Notlage erklärt und so zum vierten Mal in Folge die Schuldenbremse aussetzt. Diese Option sieht die Regelung im Grundgesetz für Notlagen ausdrücklich vor. In den vergangenen Jahren hatte das Parlament dies zuerst mit der Corona-Krise und dann mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die deutschen Staatsfinanzen begründet.
Auch dieses Mal argumentierte die Bundesregierung damit, dass die tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Kriegs die staatliche Finanzlage beeinträchtigten. Zudem seien Schäden von der Flutkatastrophe aus dem Sommer 2021 noch nicht beseitigt. CSU-Generalsekretär Martin Huber warf der Ampel-Koalition vor, vorgeschobene Notlagen zu nutzen, um die Schuldenbremse auszusetzen.
Vorgesehen sind für das laufende Haushaltsjahr nun Ausgaben in Höhe von 461,21 Milliarden Euro. Mit dem Beschluss wurden zugleich weitere Veränderungen im Haushalt vorgenommen. Die Höhe der Steuereinnahmen und die Zinsausgaben wurden an die aktuellste Prognose angepasst.
Ausserdem fällt ein Darlehen in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro für die Aktienrente weg, weil die dafür nötige Stiftung noch nicht gegründet ist. Die Aktienrente soll längerfristig die Rentenversicherung entlasten. Aus öffentlichen Mitteln soll Stück für Stück ein Kapitalstock aufgebaut werden, aus dessen Erträgen die Rentenbeiträge und das Rentenniveau stabilisiert werden sollen. Mit dem Nachtragshaushalt wurde auch das Ende des Topfes für die Energiepreisbremsen besiegelt.
Auch für den Etat des nächsten Jahres hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Konsequenzen. Nach tagelangen Verhandlungen entschieden die Ampel-Spitzen erst am Mittwoch, wie sie ein Milliardenloch stopfen wollen: mit zahlreichen Sparmassnahmen, aber vorerst ohne Aussetzen der Schuldenbremse.
Einen ersten Beschluss setzte der Bundestag am Freitag direkt um: Er beschloss einen höheren CO2-Preis. Der Aufschlag beim Tanken und Heizen steigt zum 1. Januar von 30 auf 45 Euro pro Tonne CO2. Das hatte die grosse Koalition von CDU und SPD vor Jahren schon so festgelegt, die Ampel wollte wegen der hohen Energiepreise eigentlich nur auf 40 Euro erhöhen. Doch nach dem Haushaltsurteil kehrt man nun auf den steileren Pfad zurück.
Die Einnahmen aus dem CO2-Preis fliessen in den Klima- und Transformationsfonds, aus dem Projekte unter anderem für Klimaschutz finanziert werden. Verbraucher müssen mit steigenden Sprit-, Öl- und Gaspreisen rechnen. Nach Angaben des ADAC könnte der Liter Benzin zum Jahreswechsel um rund 4,3 Cent teurer werden. Diesel-Fahrer müssten mit einem Plus von rund 4,7 Cent rechnen. Gas verteuert sich nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox um 0,39 Cent die Kilowattstunde, Heizöl um 4,8 Cent pro Liter. Eine Musterfamilie mit einem Heizbedarf von 20 000 Kilowattstunden habe dadurch jährliche Mehrkosten von 78 Euro beim Gas und 96 Euro bei einer Ölheizung./cjo/DP/jha
(AWP)