Ein Antrag auf Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat vonseiten einer SVP-Minderheit scheiterte am Montag im Rat. Zu einer Gesamtabstimmung über die Vorlage kam es aus zeitlichen Gründen nicht mehr.
In der Eintretensdebatte wurde klar, dass der Nationalrat Willens ist, die gesetzliche Umsetzung unter Dach und Fach zu bringen. «Die Vorlage, wie sie hier auf dem Tisch liegt, ist die bestmögliche Lösung», sagte Kommissionsberichterstatter Lorenz Hess (Mitte/BE). Sie sei ein Mittelweg zwischen Vorstössen und Anträgen, die eine sehr liberale Haltung verträten und denjenigen, die ein totales Werbeverbot für Tabakprodukte anstrebten. Hier sei demnach nur ein Kompromiss möglich.
Der Volkswille solle umgesetzt werden, hiess es denn auch in den Fraktionsvoten. Was damit gemeint ist, darüber waren sich die Nationalrätinnen und Nationalräte weiterhin uneinig: Aus Sicht der Bürgerlichen geht es bei der Vorlage «nicht um ein umfassendes Werbeverbot», aus Sicht der Ratslinken um ein «Gesetz ohne Schlupflöcher».
Nachdem die grosse Kammer die Vorlage für ein entsprechendes Tabakwerbeverbot am Ende der ersten Beratung noch abgelehnt hatte, beharrte der Ständerat im Herbst auf mehrere Ausnahmebestimmungen im Gesetz. Eine Mehrheit der zuständigen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N) brachte im Vorfeld der neuerlichen Debatte nun in mehreren Punkten Kompromissvorschläge ein.
Kompromissvorschlag für Presse
So votierte der Rat im Sinne der kleinen Kammer gegen eine SVP-Minderheit, die «Hinweise auf Verkaufsförderung oder Sponsoring» für Tabakprodukte vom Werbeverbot ausnehmen wollte. Ebenso folgte er dem Ständerat betreffend ein Verbot der Werbung für Tabakprodukte dort, wo die Werbung für Minderjährige sichtbar oder zugänglich ist.
In Presseerzeugnissen will der Nationalrat Tabakwerbung zudem nicht verbieten, wenn deren Leserschaft zu mindestens 98 Prozent aus Erwachsenen besteht und die Werbung nur im Innenteil der jeweiligen Publikation erscheint. Hierbei folgte er der Mehrheit der SGK-N, die dem Ständerat damit einen Kompromissvorschlag unterbreitete.
Die kleine Kammer wollte - wie der Bundesrat - Tabakwerbung in Presserzeugnissen im Allgemeinen verbieten. Eine bürgerliche Minderheit wollte die Untergrenze auf 95 Prozent senken, scheiterte aber im Nationalrat. Eine links-grüne Minderheit, welche Tabakwerbung in Presseerzeugnissen allgemein verbieten wollte, scheiterte ebenfalls.
Der Bundesrat sehe die Präzisierung bei Presse-Erzeugnissen als einen elementaren Teil der Umsetzung der Initiative an, sagte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.
Über einige Anträge zum Tabakproduktegesetz stimmte der Nationalrat aus zeitlichen Gründen nicht ab. Somit kam es denn auch nicht zu einer Gesamtabstimmung über die Vorlage. Die Debatte soll am 13. März weitergeführt werden.
Annahme der Vorlage bleibt offen
Anfang 2022 nahmen Volk und Stände die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» mit 56,6 Prozent Ja-Stimmen an. Sie verlangt, dass «jede Form von Tabakwerbung, die Kindern zugänglich ist, verboten wird». Das Tabakproduktegesetz soll laut dem Bundesrat die Bevölkerung, insbesondere Minderjährige, vor den schädlichen Auswirkungen des Tabak- und Nikotinkonsums schützen.
Sollte der Nationalrat die Vorlage in der voraussichtlich in der kommenden Woche stattfindenden Gesamtabstimmung ein zweites Mal ablehnen, ist das Geschäft erledigt. Das Parlament müsste dann für die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels auf Feld eins beginnen. Nimmt der Nationalrat die Vorlage in der Gesamtabstimmung an, muss erneut der Ständerat darüber befinden.
Die Schweiz geht in der Tabakregulierung indes deutlich weniger weit als die europäischen Nachbarn. Sie befindet sich in einer europäischen Vergleichsstudie, dem sogenannten Tobacco Control Scale 2021, auf dem zweitletzten Platz. Verschiedene Bestimmungen im Schweizer Tabakproduktegesetz entsprechen zudem nicht dem WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC). Die Schweiz hat als eines der wenigen Länder der Welt und als einziges Land in Europa das FCTC nicht ratifiziert.
Gemäss Angaben des Bundes verursacht Tabak jedes Jahr 9500 vorzeitige Todesfälle und ist damit eines der grössten Probleme der öffentlichen Gesundheit. Die Kosten für die medizinische Behandlung dieser Krankheiten belaufen sich auf drei Milliarden Franken pro Jahr.
mk/
(AWP)