Der Bundesrat hatte das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) gegen seinen Willen aufgrund einer Motion von Ständerat Erich Ettlin (Mitte/OW) geändert. Bundesrat Guy Parmelin plädierte eindringlich dafür, nicht auf die Vorlage einzutreten.

In der Debatte lobte die bürgerliche Ratsseite die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Mit den kantonalen Mindestlöhnen entstehe ein Flickenteppich und die GAV würden mit kantonal höheren Mindestlöhnen unterlaufen.

Druck auf Sozialpartner

Thomas Burgherr (SVP/AG) sagte für die Kommissionsmehrheit, kantonale Mindestlöhne würden die Sozialpartnerschaft einseitig unter Druck setzen. Die Schweiz sei ein einheitlicher Wirtschaftsraum, was auch für Lohnregelungen gelten sollte.

Die Sozialpartner könnten bei den GAV-Löhnen durchaus über kantonal festgelegte Beträge hinausgehen und dies auf Antrag durch den Bundesrat für allgemein verbindlich erklären lassen. So würden diese landesweit gelten. Marcel Dobler (FDP/SG) erklärte, Mindestlöhne seien Arbeitsplatzvernichter und behinderten den Berufseinstieg.

Links-grün verwies auf die Volkssouveränität, die Verfassung, den Föderalismus und ein Bundesgerichtsurteil. Die Vorlage sei eine Attacke auf die direkte Demokratie. Die Armutsbekämpfung sei gemäss Verfassung eine Aufgabe der Kantone, was das Bundesgericht bei den Mindestlöhnen Neuenburgs bestätigt hatte.

Verträge contra Volksentscheid

Alle Kantone - mit Ausnahme Obwaldens - und jede Gewerkschaft - immerhin die Hälfte der Sozialpartnerschaft - hätten sich in der Vernehmlassung gegen die Vorlage ausgesprochen. Letztlich seien GAV privatrechtliche Verträge und könnten rechtshierarchisch nicht über Volksentscheiden stehen.

SP-Copräsident Cédric Wermuth bezeichnete das Gesetz als einen «parlamentarischer Putsch gegen die Lohnabhängigen». Es zeige, dass ein Volksentscheid nur gelte, wenn er der bürgerlichen Mehrheit passe. Die Vorlage geht an den Ständerat.

Bisher hiessen die Stimmberechtigten in den fünf Kantonen Basel-Stadt, Genf, Neuenburg, Jura und Tessin kantonale Mindestlöhne gut. Einzig in Genf und Neuenburg richten sie sich nicht nach den GAV. Die Stadtbevölkerungen von Zürich und Winterthur sprachen sich mit Mehrheiten von über zwei Dritteln für lokale Mindestlöhne aus. Diese hob das Verwaltungsgericht auf.

(AWP)