Mit 113 zu 72 Stimmen hiess die grosse Kammer am Mittwoch eine Vorlage ihrer Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (Urek-N) gut. Die Nein-Stimmen kamen von SP, Grünen und Grünliberalen. Nun ist der Ständerat am Zug.
Auf Zweck reduzieren
Die Urek-N will mit den Änderungen im Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) verhindern, dass sich in Beschwerdeverfahren Parteien mit sehr unterschiedlichen finanziellen Mitteln gegenüberstehen. Angestossen hatte die Vorlage Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (VS).
Es gehe darum, das Verbandsbeschwerderecht auf seinen ursprünglichen Zweck zu reduzieren, sagte Bregy im Rat. Und es gehe darum, einfachen Leuten «ein Problem vom Hals zu schaffen». Beschwerden kosteten Geld, das einfache Bürger nicht hätten, und obendrein Zeit für ihr Projekt.
Die Vorlage will das Verbandsbeschwerderecht gemäss NHG für Projekte von Wohnbauten nicht mehr zulassen, die eine Geschossfläche von weniger als 400 Quadratmeter haben und in einer Bauzone geplant sind. Projekte in geschützten Ortsbildern, in Biotopen oder ausserhalb der Bauzonen sind von der Vorlage nicht betroffen.
Von der Bevölkerung gewollt
Beschwerde führende Verbände handelten im öffentlichen Interesse, und für Beschwerden gebe es strikte Vorschriften, sagte Nadine Masshardt (SP/BE) namens der rot-grünen Gegnerschaft. Beschwerden seien nur möglich, wenn ein Projekt geltendes Recht verletze. Die meisten Einsprachen stammten von Privatpersonen, sagte Martina Munz (SP/ZH) den Befürwortern.
Das Verbandsbeschwerderecht sei von der Bevölkerung gewollt, erinnerte Aline Trede (Grüne/BE) ans deutliche Nein von Volk und Ständen zur Initiative für eine Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts. Die GLP sähe lieber «querulatorische Einsprachen» eingeschränkt als das Verbandsbeschwerderecht, wie Sprecher Beat Flach (AG) sagte.
Bereits die Möglichkeit, ein Projekt mit Einsprachen auszubremsen, gebe Verbänden Verhandlungsmacht, sagte Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG). Beschwerden könnten immer erhoben werden. Denn erst eine gerichtliche Instanz entscheide, ob Recht verletzt werde oder nicht.
Die 400 Quadratmeter Geschossfläche reichten für ein Einfamilienhaus mit vielleicht einer Einliegerwohnung, sagte Kommissionssprecher Nicolò Paganini (Mitte/SG) zur gewählten Obergrenze. Masshardt (SP/BE) widersprach: 400 Quadratmeter entsprächen einem Mehrfamilienhaus oder einer stattlichen Villa.
Tiefere Obergrenze abgelehnt
Eine Minderheit um Christophe Clivaz (Grüne/VS) wollte 250 Quadratmeter als Obergrenze setzen. Das sei bereits grosszügig und entspreche einem grosszügig dimensionierten Einfamilienhaus. Der Antrag wurde mit 112 zu 72 Stimmen abgelehnt.
Keinen Erfolg hatte auch eine Minderheit um Martina Munz (SP/SH), das Verbandsbeschwerderecht nicht einzuschränken bei Wohnungen, die dem Zweitwohnungsgesetz unterstünden. «Das Zweitwohnungsgesetz hat schon genügend Löcher und gleicht zunehmend einem Emmentaler Käse», hiess es.
Der Bundesrat erklärte sich einverstanden mit dem Vorhaben der Urek-N und nannte dieses «verhältnismässig». Dass mit weniger Beschwerden rascher gebaut werden könne, könne helfen, die Wohnungsnot zu entschärfen, sagte Umweltminister Albert Rösti.
Gemäss dem NHG haben Organisationen, die sich dem Naturschutz, dem Heimatschutz, der Denkmalpflege oder verwandten Zielen widmen, heute ein Beschwerderecht. Anders als das Umweltschutzgesetz (USG) kennt dieses Gesetz keine Einschränkung.
In Vernehmlassung umstritten
Die Vorlage will die beiden Gesetze einander angleichen. Nach Meinung der Kommissionsmehrheit steht diese Änderung im Einklang mit dem im USG verankerten Beschwerderecht, das nur bei Grossprojekten gilt, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern.
Das Vorhaben der Urek-N war in der Vernehmlassung bei den bürgerlichen Parteien sowie 14 Kantonen auf Anklang gestossen, zehn lehnten es ab. Umwelt- und Landschaftsschutzorganisationen warnen hingegen vor den Folgen der Gesetzesänderung.
Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
(AWP)