Die Solothurner Staatsanwaltschaft hatte um die Aufhebung von Michels Immunität ersucht. Gegen den 48-Jährigen sei eine Strafanzeige wegen Ehrverletzungsdelikten eingegangen, begründete sie dieses Ersuchen.

Die Immunitätskommission des Nationalrates kam mit 8 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung zum Schluss, das Gesuch abzulehnen, wie die Parlamentsdienste am Montag mitteilten. In der Anzeige ging es um Äusserungen in Online-Kommentaren im Zusammenhang mit dem umstrittenen EU-Vertragspaket. Michel befürwortet diese Verträge.

Als bezahlter «Troll» bezeichnet

Der Anzeigeerstatter gab gemäss der Mitteilung zum Komissionsentscheid an, er sei in Kommentaren zu seinen Posts und Beiträgen auf Linkedin von Michel mehrmals als von einer international renommierten Kapitalanlagegesellschaft bezahlter «Troll» bezeichnet worden. Das habe seinem öffentlichen Ansehen und seiner beruflichen und privaten Ehre geschadet.

Michel wurde vor dem Entscheid von der IK-N angehört. Er habe ausgesagt, dass er auf Linkedin im Rahmen eines politischen Dialogs Stellung bezogen habe, hiess es dazu in der Mitteilung. Er sei davon ausgegangen, dass seine Äusserungen durch Meinungsäusserungsfreiheit geschützt seien. Auch habe er sich als Nationalrat geäussert.

Laut Mitteilung räumte Michel dabei ein, sich unglücklich und unangebracht geäussert zu haben. Zudem habe er bedauert, nicht eindeutig geklärt zu haben, ob es sich um ein bezahltes Profil gehandelt habe.

für die Immunitätskommission kann ein unmittelbarer Zusammenhang hergestellt werden zwischen Michels Amt als Nationalrat und seinen auf Linkedin veröffentlichten Äusserungen. Sie trat deshalb mit 7 zu 0 Stimmen und mit zwei Enthaltungen auf das Gesuch aus Solothurn ein.

Die Michel vorgeworfene Handlung sei nicht besonders schwerwiegend, befand die Kommission dann aber. Zudem sei das Interesse an einer ungehinderten Ausübung des Nationalratsmandats in Michels Fall höher zu gewichten als das Interesse an der Verfolgung einer allfälligen strafbaren Handlung.

Froh über Entscheid

Er sei froh über den Entscheid der IK-N, schrieb Simon Michel selbst im Kurznachrichtendienst X. «Die freie politische Meinungsäusserung ist ein zentraler Bestandteil einer lebendigen Demokratie - gerade auch in kontroversen Debatten.»

Erledigt ist das Dossier mit dem Entscheid der IK-N nicht. Zu entscheiden hat nun die Rechtskommission des Ständerates. Ist sie gleicher Meinung wie die Nationalratskommission, kann gegen Michel nicht ermittelt werden. Kommt sie aber zu einem anderen Schluss, kommt die Angelegenheit zurück in die IK-N.

Michel ist seit 2023 Mitglied des Nationalrats. Von 2017 bis 2024 war er Solothurner Kantonsrat. Seit 2014 ist er zudem Geschäftsführer des Medizintechnikunternehmens Ypsomed, das von seinem Vater gegründet wurde.

Dass die Immunität eines eidgenössischen Parlamentsmitgliedes aufgehoben wird, ist selten. Seit 2012 wurden insgesamt drei Gesuche gutgeheissen. Abschliessend beurteilt wurden gemäss einer Aufstellung der Parlamentsdienste insgesamt 21 Gesuche um Aufhebung der Immunität.

(AWP)