WIE IST DIE SITUATION HEUTE?

Heute ist es verboten, Schweizer Kriegsmaterial in Länder zu exportieren, die in interne oder internationale Konflikte verwickelt sind. Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist die Schweizer Rüstungsindustrie wegen ihrer strengen Exportregeln unattraktiv und deswegen unter Druck. Die Politik ringt seit Jahren um eine mehrheitsfähige Lösung, um die Regeln im Kriegsmaterialgesetz zu lockern. Darüber hinaus gibt es Diskussionen um die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen. Angestossen wurden diese durch Gesuche von EU-Staaten, die im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine Schweizer Rüstungsgüter weiterreichen wollten.

WAS WILL DER BUNDESRAT?

Schweizer Rüstungsunternehmen sollen beim Export von Kriegsmaterial künftig weniger strenge Regeln befolgen müssen. Der Bundesrat hat beantragt, was die Räte mit einer Motion verlangten. Sie wollten einen seinerzeit abgelehnten Antrag des Bundesrats zum Gegenvorschlag zur Korrektur-Initiative wieder aufnehmen. Demnach soll die Landesregierung die Kompetenz erhalten, in ausserordentlichen Umständen und zur Wahrung der Interessen der Schweiz von den Bewilligungskriterien für Auslands-Rüstungsgeschäfte abzuweichen. Von der sogenannten Abweichungskompetenz Gebrauch machen will der Bundesrat vor allem gegenüber Ländern, mit denen die Schweiz Kriegsmaterial-Handel betreibt.

WIE KOMMT DIESER VORSCHLAG AN?

Grundsätzlich gut. Der Ständerat und nun auch die bürgerliche Mehrheit der zuständigen Nationalratskommission unterstützen die entsprechenden Anpassungen des Kriegsmaterialgesetzes. Die Regeln sollen aber noch mehr gelockert werden. Der Ständerat will eine generelle Ausnahme für Länder mit ähnlichem Exportregime wie die Schweiz. Konkret sollen Ausfuhren in kriegsführende Nato-Staaten grundsätzlich möglich sein. Neu sollen Länder auch das erhaltene Kriegsmaterial ohne Zustimmung der Schweiz an ein anderes Land weitergeben können.

WAS BEINHALTET DER NEUESTE VORSCHLAG?

Beim Kauf von Rüstungsgütern in der Schweiz soll eine Gruppe von 15 westlichen Ländern deutlich mehr Freiheit haben als heute. Selbst wenn sie in einen Krieg verwickelt sind, darf die Schweiz diese Länder beliefern. Künftig soll grundsätzlich auf Nichtwiederausfuhr-Erklärungen verzichtet werden. Ausgeschlossen sind aber Lieferungen, wenn ein Land die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt. Und der Bundesrat erhält ein Vetorecht - zum Beispiel, wenn er die Neutralität gefährdet sieht. Auch bei der Wiederausfuhr von Waffen sollen mildere Regeln gelten. Im Grundsatz sollen alle Länder künftig in der Schweiz gekaufte Rüstungsgüter frei weitergeben können. Allerdings kann der Bundesrat auch hier eine Garantie verlangen, dass das Rüstungsmaterial im Käuferland bleibt. Immer dann, wenn er Bedenken hat wegen der Neutralität oder den aussen- und sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz. Diese Regelung könnte auch für Ausfuhren in die Ukraine greifen.

WIE ARGUMENTIERT DIE MEHRHEIT?

Gemäss Mitteilung der Parlamentsdienste vom Dienstag ist die Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats (SIK-N) der Ansicht, dass angesichts der sich stetig verschlechternden geopolitischen Situation die Sicherheit der Schweiz gewährleistet und die Verteidigungsfähigkeit der Schweizer Armee nachhaltig gestärkt werden muss. Ein wichtiges Element hierfür sei eine starke und leistungsfähige Rüstungsindustrie.

WAS SAGT DIE LINKE DAZU?

Eine Minderheit kritisiert hingegen, dass eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes nicht im Interesse der neutralen Schweiz sei, die sich insbesondere für Frieden und den Schutz der Menschenrechte einsetzen solle. Zudem könne die Ukraine, die von ihrem legitimen Selbstverteidigungsrecht gemäss Uno-Charta Gebrauch mache, von den vorgeschlagenen Regelungen nicht profitieren. Die Gruppe Schweiz ohne Armee (Gsoa) hatte bereits nach den Diskussionen im Ständerat ein Referendum angekündigt, sollte das Parlament die Lockerungen beschlossen. SP und Grüne dürften sie dabei unterstützen.

WIE GEHT ES NUN WEITER?

In der Wintersession im Dezember wird sich die grosse Kammer mit dem Thema befassen. Die Ausgangslage ist relativ klar. Die SIK-N hiess die von ihr präzisierten Lockerungen des Kriegsmaterialgesetzes mit 16 zu 9 Stimmen gut. Der Ständerat hatte im Juni in der Gesamtabstimmung mit 31 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung Ja gesagt zu milderen Regeln. Letztlich dürfte das Stimmvolk über die Vorlage entscheiden. Selbst die Befürworterinnen und Befürworter der Lockerung gehen von einer Volksabstimmung aus. Sie sei bereit für den Abstimmungskampf, schrieb die Allianz Sicherheit Schweiz bereits im Sommer. Sie zeigte sich optimistisch, «dass sich auch die Bevölkerung für eine verteidigungsfähige Schweiz mit eigener Rüstungsindustrie aussprechen wird».

(AWP)