Die Weihnachtsbotschaft der Notenbanken klingt für viele Investoren schrill: 2023 müssen die Zinsen auf beiden Seiten des Atlantiks weiter steigen. Anleger hatten wegen niedrigerer Inflation insgeheim auf eine Pause oder gar Senkungen gehofft. Sie wurden enttäuscht und mussten die Hoffnung auf eine Weihnachtsrally abschreiben. US-Notenbankchef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde machten glasklar, dass sie noch längst nicht am Ziel sind: Das Inflationsgespenst wird wohl länger herumspuken und die Teuerungsrate auf Jahre hinaus das Ziel der Zentralbanken von zwei Prozent übersteigen. Die Zeichen stehen weiter auf Straffung - Rezessionsgefahr hin oder her.
Dann gilt es aus Sicht von Powell & Co., ein relativ hohes Zinsniveau zu halten, bevor Senkungen in Frage kommen. "Höret, wie die Notenbanken klingen", überschreibt DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater seinen Marktkommentar und ergänzt: "Setzt sich die Marktwahrnehmung eines 'höher für länger' beim Zinsausblick durch, würde das zunächst für eine Phase schwächerer Börsen und festerer Renditen an den Rentenmärkten sprechen."
In den USA dürfte die Obergrenze beim Leitzins Ende 2023 bei über fünf Prozent liegen - im Euro-Raum könnte schon in wenigen Monate eine Drei vor dem Komma stehen. Der EZB-Rat ist dezidiert der Auffassung, dass die Zinsen "noch deutlich und in einem gleichmässigen Tempo steigen müssen". EZB-Chefin Lagarde wurde sogar noch deutlicher: Für die nächsten Zinssitzungen seien ausgehend von den aktuellen Wirtschaftsdaten Zinserhöhungen um jeweils einen halben Prozentpunkt zu erwarten.
Langer Weg vom Zinsgipfel ins Tal
In den USA liegt der Leitzins nach der jüngsten Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte inzwischen in einer Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. In der Euro-Zone schraubten die Währungshüter den Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, ebenfalls um einen halben Prozentpunkt auf nunmehr 2,0 Prozent nach oben. Investoren müssen sich 2023 auf einen anhaltend restriktiven Kurs einstellen - also eine geldpolitische Linie, die eine Wirtschaft bremst. Powell machte nach dem Zinsbeschluss klar: "Unser Fokus liegt jetzt darauf, unsere Geldpolitik so zu gestalten, dass sie restriktiv genug ist, um eine Rückkehr der Inflation zu unserem Zwei-Prozent-Ziel im Laufe der Zeit zu gewährleisten, und nicht auf Zinssenkungen."
An den Finanzmärkten wurde die Botschaft eindeutig interpretiert. "Die Fed ist offenbar der Meinung, dass sie die Zinsen über das Jahr 2023 hinweg auf hohem Niveau halten muss", sagt etwa Chefstratege John Vail vom Vermögensverwalter Nikko Asset Management. Ähnlich schätzt das auch Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst von CMC Markets, ein: "Der Zinsgipfel ist zwar in Reichweite, die Wanderung zurück ins Tal dürfte aber noch gut ein Jahr dauern." Der Aktienmarkt müsse sich an eine restriktive Fed gewöhnen - selbst wenn die Inflationsraten weiter zurückgehen sollten.
Zuletzt hatten die Hinweise zugenommen, dass der Preisdruck nachlässt. So war die Inflationsrate im November auf einen Jahrestiefstwert von 7,1 Prozent gefallen. Sie ist damit aber noch immer meilenweit von der Zielmarke der Fed entfernt. "Eine Absage an Zinssenkungen im kommenden muss jedoch nicht auf Dauer in Stein gemeisselt sein", meint LBBW-Ökonom Elmar Völker. "Fortdauernde Schwächesignale der US-Konjunktur und belastbarere Indizien für nachlassende Teuerung sollten im Verlauf des nächsten Jahres schliesslich für ein Umdenken sorgen."
Lagarde - der Kampf geht weiter
Dies dürfte bei der EZB wohl vorerst nicht einsetzen. Die EZB-Volkswirte sind sogar inzwischen der Auffassung, dass die Teuerungsrate selbst im Jahr 2025 noch bei 2,3 Prozent liegen wird - und damit über der EZB-Zielmarke von zwei Prozent. Lagardes Ansage nach der vierten Zinserhöhung in Folge seit Juli war daher unmissverständlich. Die EZB müsse ihre Schlüsselzinsen noch weiter auf ein ausreichend restriktives Niveau anheben. Die bisher erfolgten Schritte seien nicht genug, sagte die EZB-Chefin: "Und wir müssen den Kampf annehmen und die Schlacht gegen die Inflation fortsetzen." Die Teuerungsrate im Euro-Raum war zuletzt im November zwar leicht auf 10,1 Prozent gesunken von 10,6 Prozent im Oktober. Sie liegt damit aber immer noch fünf Mal so hoch wie das Ziel der Euro-Wächter von zwei Prozent.
Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer geht davon aus, dass die EZB auf ihren ersten beiden Zinssitzungen 2023 im Februar und im März die Schlüsselzinsen jeweils um weitere 0,50 Prozentpunkte anheben wird - gefolgt von einem weiteren Schritt um 0,25 Prozentpunkte. Damit läge der Einlagensatz dann bei 3,25 Prozent.
Für die Volkswirte der Bank of America ist die Botschaft der EZB klar. "Diese Zentralbank nimmt es sehr, sehr ernst, sicherzustellen, dass die Inflation rechtzeitig wieder zum Zielniveau zurückkehrt," schreiben die Ökonomen der US-Bank. Sie rechnen damit, dass die EZB den Einlagensatz bis Juni 2023 sogar auf 3,50 Prozent anheben wird. Es ist schon sehr lange her, dass der Einlagensatz ein solches Niveau erreichte - letztmalig 2001.
(Reuters)
1 Kommentar
Wie das Fed schon angedeutet hat, die Zinsen müssen weltweit auf 7% steigen. Dieser Schritt bringt allerdings die Wirtschaft mehr als erwartet aus dem Tritt: Pleiten werden unumgänglich! Die Märkte werden somit kaum erfreut sein.
Zudem würde es die Kapitalbeschaffung (insb. für Hypotheken) sehr ungelegen kommen. Die Hypotheken würden auf 8 - 9% steigen. Für die kommenden Jahre sollte man nicht in Aktien investiert sein. Eine Bodenfindung könnte frühstens in fünf Jahre erfolgen. Aber von einer Stabilisierung wäre noch nichts in Sicht. Dies würde nochmals zwei bis drei Jahre dauern.