Einschätzungen von Ökonomen zum Rückgang des Ifo-Index im Überblick:
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank:
«Die Konjunktur in Deutschland tritt auf der Stelle. Die Industrie leidet unter den Zolleffekten und stärkerer Konkurrenz aus China. Die US-Zölle haben die Produktion in diesem Jahr vollkommen durcheinander gebracht, mit vorgezogener Fertigung in der ersten Jahreshälfte und schwacher Aktivität für den Rest des Jahres. Die tatsächlichen Auswirkungen der Zölle werden sich erst im kommenden Jahr zeigen. Die Aufschwungshoffnungen der angekündigten Wirtschaftsreformen sind verpufft.»
Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank:
«Niemand weiss genau, warum die Unternehmen im September weniger optimistisch in die Zukunft schauen. Aber viele Unternehmen haben auf einen Neustart in der Wirtschaftspolitik und eine bessere Standortqualität gesetzt, wobei der Streit in der Koalition deutlich macht, dass die Regierungsparteien sehr unterschiedliche wirtschaftspolitische Vorstellungen haben. Der Rückgang der Ifo-Geschäftserwartungen mag die Enttäuschung vieler Unternehmen darüber widerspiegeln, dass es wohl nicht zu der erforderlichen Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik kommen wird.»
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:
«Mit dem grossen Infrastruktursondervermögen sollte sich die angeschlagene wirtschaftliche Entwicklung wieder zum Besseren wenden. Doch mittlerweile breitet sich Ernüchterung aus. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis tatsächlich positive Impulse spürbar sein werden und ob diese tatsächlich im kommenden Jahr deutliche Akzente setzen, bleibt fraglich. Hierfür müssten sich die Genehmigungsverfahren ebenfalls beschleunigen.»
Robin Winkler, Deutschland-Chefvolkswirt der Deutschen Bank:
«Der überraschend starke Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex im September dämpft die Hoffnung auf eine zügige Konjunkturerholung. Insbesondere die Konjunkturerwartung haben den kleinen Höhenflug der Sommermonate wieder eingebüsst. Immerhin zeigte sich gestern der Einkaufsmanagerindex für September etwas verbessert. Die deutsche Wirtschaft wächst wieder - aber nur schwach.»
Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg:
«Das war heute ein unerwarteter Rückschlag für die deutsche Konjunktur. Die ZEW-Erwartungen hatten nach oben gezeigt, und auch die Einkaufsmanagerindizes für September hatten insgesamt eine Stimmungsaufhellung angedeutet. Vor allem der starke Rücksetzer der Erwartungskomponente lässt aufhorchen. War schon die Aufwärtstendenz in den zurückliegenden Monaten insgesamt nur zögerlich, so lässt die September-Umfrage befürchten, dass die deutsche Wirtschaft mindestens bis zum Jahresende in der (annähernden) Stagnation feststecken wird.»
Christoph Swonke, Analyst bei der DZ Bank:
«Von Altweibersommer keine Spur - pünktlich zum meteorologischen Herbstanfang zeigt sich auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft von der trüben Seite. (...) Die Unsicherheit ist weiterhin gross. Deutschlands Wirtschaft befindet sich in einer schwierigen Phase mit zollbedingten aussenwirtschaftlichen Belastungen und anhaltend hohen Energiekosten. Zusätzlich lähmt die Bürokratie das Wirtschaftsgeschehen immer mehr. Hoffnung macht hier zumindest die von der Bundesregierung beabsichtigte 'One in, two out'-Regelung. In diesem Rahmen sollen künftig für ein neues Gesetz, das Bürokratiekosten verursacht, zwei gleichwertige Belastungen abgebaut werden. Ganz allgemein sorgt das verabschiedete Fiskalpaket für Infrastruktur und Verteidigung aber noch nicht für ausreichend Fantasie bei den befragten Firmen für eine konjunkturelle Wende. So dürfte sich der Herbst vorerst weiter von seiner dunklen Seite zeigen.»
Ralf Umlauf, Analyst Landesbank Hessen-Thüringen:
«Entgegen der Konsensschätzung ist der Ifo-Geschäftsklimaindex nach dem unerwarteten Plus im August im laufenden Monat klar gesunken. Nicht nur die Lageeinschätzungen seitens der Unternehmen fielen schwächer aus, auch die Geschäftserwartungen haben unerwartet nachgegeben. Zeichen einer nachhaltigen konjunkturellen Belebung lassen mithin auf sich warten und die Zinssenkungserwartungen bezüglich der EZB, obwohl wenig ausgeprägt, werden tendenziell gestärkt.»
Maximilian Wienke, Analyst bei eToro
«Geld allein reicht nicht aus. Entscheidend wird sein, wie erfolgreich Deutschland strukturelle Reformen umsetzt, um robuster gegen externe Schocks zu werden und den Standort langfristig attraktiver zu machen. Es geht um eine Transformation, die über kurzfristige Konjunkturhilfen hinausgeht.»
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(AWP)