Einschätzungen von Ökonomen zu den geldpolitischen Entscheidungen im Überblick:
Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank
«Auf der heutigen Pressekonferenz dämpfte EZB-Präsidentin Lagarde verbliebene Zinssenkungshoffnungen, etwa indem sie auf das überraschend hohe Wirtschaftswachstum hinwies oder die unter 2 Prozent liegende langfristige Inflationsprognose herunterspielte. Alles in allem bleibt das Szenario eines unveränderten Einlagensatzes von 2,0 Prozent das wahrscheinlichere Szenario.»
Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank
«Der Zentralbankrat hat Offensichtliches festgestellt: Die Leitzinsen sind auf längere Zeit hin angemessen. Die Inflationsrate ist wieder auf 2 Prozent gesunken und bei den Verbrauchern kein Thema mehr. Die Geldmenge entwickelt sich moderat. Kredite sind zugänglich und nicht zu teuer für Investitionen. Damit die EZB die Zinsen nochmal senkt, müsste schon ein Konjunktureinbruch oder ein gravierendes Ereignis her. Die Aufregungen um Staatsanleihen in Europa dagegen sind ein Thema der Finanzpolitik in Frankreich, kein Thema der Geldpolitik in Frankfurt.»
Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust
«Die Beibehaltung des aktuellen Zinsniveaus lag nahe und ist der derzeitigen Lage angemessen. Zum einen war die gesamtwirtschaftliche Produktion im ersten Halbjahr klar aufwärtsgerichtet und zum anderen liegt die Inflation leicht über dem Ziel der Preisniveaustabilität. Das liess eine Politik der ruhigen Hand erwarten. Der Sturz der französischen Regierung wäre kein Anlass gewesen, die Zinsen zu senken, denn er lässt die Staatsverschuldung und die Preise in Frankreich schneller steigen als es bei einem Kompromiss in der Haushaltspolitik der Fall gewesen wäre. Und das sollte die Geldpolitik nicht sanktionieren.»
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank
«Weitere Zinssenkungen könnten (...) erst im Falle einer deutlichen wirtschaftlichen Schwäche ausgehend von einer geringeren privaten Nachfrage auf der Agenda stehen. Dies lässt sich derzeit nicht ableiten. Wichtige Konjunkturfrühindikatoren sind auf einen moderaten Erholungskurs eingeschwenkt. Bleibt dies so, werden mittelfristig wieder Zinserhöhungen zu erwarten sein.»
Eckhard Schulte, Vorstandsvorsitzender MainSky Asset Management
«Mit dem Hinweis auf nun ausgeglichenere Wachstumsrisiken und ein Ende des Disinflationsprozesses in der Eurozone hat Präsidentin Lagarde heute ganz klar signalisiert, dass die Europäische Zentralbank mit dem derzeitigen Zinsniveau sehr zufrieden ist und bis auf Weiteres keinen Handlungsbedarf sieht. Der Markt hat die Nachricht verstanden und jetzt weitgehend alle weiteren Zinssenkungen ausgepreist. Für 2025 stimmen wir zu, aber im kommenden Jahr sollte bei den derzeit sehr schwachen monetären Entwicklungen - insbesondere der schwachen Kreditnachfrage sowie Geldmengenentwicklung - noch etwas Luft für weitere Zinssenkungen bestehen.»
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(AWP)