Einschätzungen von Ökonomen im Überblick:
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank:
«Die Fed bleibt ihrem Mandat und ihrer Unabhängigkeit bislang absolut treu. Die Zinssenkung ist makroökonomisch voll vertretbar und war an den Kapitalmärkten genau so erwartet worden. Noch funktioniert die unabhängige Geldpolitik in den USA. Fragt sich nur, wie lange noch.»
Bernd Weidensteiner, Ökonom bei der Commerzbank:
«Überraschenderweise fiel die Entscheidung nahezu einstimmig, lediglich der im Schnellverfahren neu ernannte Fed-Gouverneur Miran sprach sich für eine stärkere Senkung aus. Powell dämpfte die Hoffnungen auf kräftige weitere Zinssenkungen, auch wenn die Fed auf die gestiegenen Risiken für die Beschäftigung verweist.»
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank:
«Den Forderungen des Weissen Hauses nach einer deutlichen Reduktion des Leitzinses wird die US-Notenbank unter Jerome Powell nicht nachkommen. Hierfür sind Inflationsgefahren zu gross. Die höheren Zölle haben den Preisauftrieb bereits moderat erhöht. Das Risiko besteht, dass sich dies in kommenden Monaten noch beschleunigt. Sollte Donald Trump im kommenden Jahr einen Kandidaten nach seinem Zuschnitt auf den Chefsessel der Fed setzen, dürfte die Zinspolitik ohnehin einer Zäsur unterliegen. Zu befürchten ist, dass das Inflationsziel hintenanstehen muss und es dann zu deutlichen Zinssenkungen kommt.»
Elmar Völker, Analyst bei der LBBW:
«Ob auf die heutige Senkung eine Serie weiterer Lockerungsschritte folgt, ist damit indes trotz der hierauf hindeutenden Projektion noch nicht ausgemacht. Die Fed steckt in einem Dilemma zwischen der unerwartet deutlichen Verschlechterung der Arbeitsmarktlage und einem weiterhin drohenden Inflationsschub aufgrund der Zollpolitik der US-Regierung. Zudem muss sie sich des Verdachts erwehren, ihre Geldpolitik wegen des beständigen Drängens auf niedrige Zinsen aus dem Weissen Haus zu lockern und mithin ihre Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten einzubüssen. Die Gefahr geldpolitischer Fehltritte wächst in dieser Gemengelage. Wir halten angesichts der Inflationsgefahren weiterhin ein vorsichtiges Vorgehen bei weiteren Zinssenkungen für angebracht, können aber auch nicht ausschliessen, dass sich die Fed nun schwerpunktmässig von Arbeitsmarktsorgen treiben lässt.»
Carlos de Sousa, Portfoliomanager bei Vontobel:
«Künftig wird die Fed zweifellos vor der komplexen Aufgabe stehen, ihr doppeltes Mandat inmitten eines sich abschwächenden US-Arbeitsmarktes und einer anhaltend hohen Inflation auszubalancieren. Der Druck, die Zinsen weiter zu senken, wird die Situation zusätzlich erschweren. Vor diesem Hintergrund dürften Anleger weiterhin diversifizieren und sich von den USA abwenden, in einer Welt in der sich die Risiken zunehmend auf die grösste entwickelte Nation konzentrieren.»
Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust:
«Zwei Aspekte sprechen trotz der Überschreitung des Inflationsziels für die Zinssenkung. Zum einen muss die Zinspolitik aufgrund zeitlicher Wirkungsverzögerungen frühzeitig handeln, um einer weiteren Abkühlung am Arbeitsmarkt entgegenzuwirken und zum anderen liegen die Leitzinsen mit 4-4,25 Prozent immer noch auf einem relativ hohen, inflationsdämpfenden Niveau. Die Gratwanderung zwischen hoher Inflation und schwacher Beschäftigung wird sich fortsetzen. Die Abkühlung des Arbeitsmarktes wird dem preissteigernden Effekt der höheren Zölle zwar etwas entgegenwirken, aber in den kommenden Monaten ist mit anhaltend hohen Preisniveausteigerungen zu rechnen.»
Thomas Altmann, Head of Portfoliomanagement, QC Partners:
«Der neue Fed-Governeur Stephen Miran feiert einen Einstand mit einem Paukenschlag. Er ist mit seinem Votum für einen 50 Basispunkte Schritt die einzige Gegenstimme. Damit zeigt er deutlich, wem er diesen Posten zu verdanken hat. Und wohl auch, wem er gefallen will. Lisa Cook hat erwartungsgemäss mit Jerome Powell gestimmt. Und auch die beiden Abweichler der letzten Senkung haben sich dem 25 Basispunkte Votum angeschlossen.»
Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz:
«Auf ihrer heutigen Sitzung diagnostizierte die FED eine Verlangsamung der Beschäftigungsentwicklung, die auf eine nachlassende konjunkturelle Dynamik und einen perspektivisch nachlassenden Preisdruck hinweise. Deshalb sei eine schrittweise Senkung der Zinsen in Richtung des neutralen Niveaus angebracht, welches die FED unverändert im Bereich von 3 Prozent verortet. Etwas überraschend hat das FOMC seine Prognosen zu Wachstum und Inflation im nächsten Jahr etwas angehoben. Wohl auch deshalb zeigt der Zinsausblick (»Dot Plot«) im Vergleich zur Junisitzung nur einen zusätzlichen Schritt in diesem Jahr und unverändert eine Zinssenkung 2026.»
/jsl/
(AWP)