Ein Ja zur Initiative würde den Wohlstand und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz ernsthaft gefährden. So lautete in der Ständeratsdebatte am Montag der Tenor der Mehrheit.

Die Annahme des Volksbegehrens würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union gekündigt werden müsste, argumentierte die Gegnerschaft. Dies, wenn die Bevölkerung der Schweiz vor 2050 auf mehr als zehn Millionen Menschen anwüchse. Dabei sei der bilaterale Weg für den Wohlstand der Schweiz wichtig. Ihn dürfe man nicht gefährden.

Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) sagte etwa, 45 Prozent der an Schweizer Spitälern arbeitenden Ärztinnen und Ärzte hätten ein ausländisches Diplom. Auf diese Leute könne die Schweiz nicht verzichten.

Für die Initiative sprachen nur die SVP-Ratsmitglieder sowie Mauro Poggia (MCG/GE). Esther Friedli (SG) sagte, das Problem der «masslosen Zuwanderung» müsse endlich an der Wurzel gepackt werden. Es brauche neue Instrumente und Neuverhandlungen von bestehenden Abkommen. Die Initiative sei eine «sinnvolle Variante, um die Zuwanderung wieder selber zu steuern und zu begrenzen».

Mit 29 zu 9 Stimmen bei 6 Enthaltungen stimmte der Ständerat für den Antrag der vorberatenden Kommission, dem Stimmvolk zu empfehlen, die Initiative abzulehnen. Formell muss dieser Beschluss noch in die Schlussabstimmungen des Parlaments am Ende der Wintersession.

Jans: Deckel draufhalten bringt nichts

Mit ihrer «Nachhaltigkeitsinitiative» will die SVP erreichen, dass die ständige Schweizer Wohnbevölkerung ab dem Jahr 2050 nicht oder allenfalls nur wegen des Geburtenüberschusses über die Marke von zehn Millionen Menschen steigt.

Überschreitet die Einwohnerzahl vor 2050 die Marke von neuneinhalb Millionen Menschen, treffen Bundesrat und Parlament Massnahmen im Hinblick auf die Einhaltung des Grenzwertes, «insbesondere im Asylbereich und beim Familiennachzug».

Laut Initiativtext «bevölkerungswachstumstreibende internationale Abkommen» müsste die Schweiz mit Blick auf Ausnahme- oder Schutzklauseln neu aushandeln. Reicht alles nicht, um den Grenzwert von 10 Millionen einzuhalten, müsste als Notbremse letztlich das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU gekündigt werden.

Bundesrat Beat Jans sagte dazu, die Initiative löse kein einziges Problem, sondern schaffe nur neue. Wenn jemand ein Problem habe, könne man nicht einfach den Deckel drauf halten, sondern müsse das Problem lösen. Tag für Tag arbeiteten in der Schweiz Fachleute etwa in der Raumplanung, im Verkehr und dem Immobilienwesen an der Lösung von Problemen.

Mit der konkretisierten Schutzklausel in den neuen bilateralen Verträgen der Schweiz mit der EU verfüge die Eidgenossenschaft sogar über eine Art Notbremse für die Zuwanderung - ohne dass diese den bilateralen Weg gefährde.

Der Bundesrat beantragte, dem Stimmvolk ein Nein zur Initiative zu empfehlen- Anfang Jahr beschloss er wie die beiden Räte, dem Begehren keinen Gegenvorschlag entgegenzustellen.

Keine Chance für Gegenentwürfe

Fast ebenso viel zu reden wie die Initiative gab am Montag die Frage, ob der Ständerat das Volksbegehren mit einem Gegenvorschlag zur Abstimmung bringen solle. Drei Varianten für einen solchen Gegenentwurf lagen dem Ständerat vor.

Sie stammten von Mitte- und FDP-Ratsmitgliedern und drehten sich um eine Zuwanderungsbeschränkung im Sinn einer verfassungsrechtlichen Schutzklausel, einer Zuwanderungsabgabe und um die Möglichkeit einer separaten Abstimmung über die Kündigung der Personenfreizügigkeit.

Mit 29 zu 15 Stimmen folgte der Ständerat dem Antrag der vorberatenden Kommission, nicht auf sie einzutreten.

Die Urheberinnen und Urheber dieser Anträge sagten, die SVP-Initiative habe Chancen auf eine Annahme an der Urne. Das zeigten Umfragen. Es sei ein Risiko, die Zuwanderungsinitiative dem Volk ohne Gegenentwurf vorzulegen.

Die Gegner hielten dem entgegen, es sei besser, die Initiative klar und deutlich vor dem Volk zu bekämpfen. Es bringe nichts, meinte etwa Pierre-Yves Maillard (SP/VD), das SVP-Begehren mit einem Gegenentwurf zu bekämpfen, von dem man sage, er basiere auf gerechtfertigten Anliegen der Initiative.

Schon im September lehnte der Nationalrat bei seiner Beratung der Volksinitiative einen Gegenvorschlag aus Mitte-Kreisen ab.

(AWP)