Bei dem Vorstoss geht es um steuerliche Vorteile für internationale Konzerne. Entsprechende Vereinbarungen zwischen Kantonen und Unternehmen sollen nach dem Willen beider Räte ihre Gültigkeit behalten, sofern sie vor dem 1. Januar 2025 abgeschlossen wurden.

Damit stellt sich das Bundesparlament gegen eine rückwirkende Anwendung einer am 15. Januar des laufenden Jahres erlassenen neuen OECD-Regel, der sogenannten «Integrity Rule».

Diese besagt, dass gewisse steuerliche Vorteile ab 2026 durch eine Ergänzungssteuer neutralisiert werden müssen, sofern sie nach dem 30. November 2021 gewährt wurden.

Der Ständerat nahm am Donnerstag mit 24 zu 14 Stimmen bei fünf Enthaltungen eine Motion seiner Wirtschaftskommission an. Der Nationalrat hatte bereits am Montag eine gleichlautende Kommissionsmotion gutgeheissen.

Rechtsstaatliche Bedenken

Wie bereits im Nationalrat begründeten die Befürworterinnen und Befürworter der Motion im Ständerat ihre Forderung mit rechtsstaatlichen Bedenken. Die Schweiz könne keine rückwirkenden Änderungen ihrer Steuergesetzgebung hinnehmen.

In beiden Räten stellten sich SP, Grüne und GLP gegen die Kommissionsmotion. Sie warnten insbesondere, die Schweiz könnte den sogenannten Q-Status verlieren. Dies würde es anderen Staaten erlauben, die Mindeststeuer selbst einzuziehen. Zudem würde eine Annahme der Motion laufende Verhandlungen zu Steuerfragen unter anderem mit der EU belasten, gaben sie zu bedenken.

Die OECD-Leitlinie gelte auch für die Zeit vor der Volksabstimmung über die Mindeststeuer, erklärte Mehrheitssprecher Erich Ettllin (Mitte/OW). Die Mehrheit empfinde es auch als stossend, dass das Parlament in der Sache aussen vor sei.

Man müsse davon ausgehen, dass die OECD mit weiteren Richtlinien auf die Schweiz zukomme, warb Martin Schmid (FDP/GR) für ein Ja. Man müsse jetzt klären, wie man damit umgehen werde. Hannes Germann (SVP/SH) warnte vor der Verlagerung von Unternehmensstandorten ins Ausland.

Warnung vor negativen Folgen

Minderheitssprecherin Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) kritisierte dagegen, die Motion erreiche das Gegenteil dessen, was sie anstrebe. Dem grossen Teil der Betroffenen bringe sie Rechtsunsicherheit - und das Risiko, dass andere Staaten zusätzlich Steuern erhöben.

Moser äusserte Verständnis für den Unmut über die Richtlinie. Dass die Schweiz mit ihrer exportorientierten Wirtschaft die Regeln nicht einfach selbst machen könne, sei jedoch nicht zu vermeiden.

Verschiedentlich wies die Gegnerseite in beiden Räten auch darauf hin, dass die Kantone und der Verband Swissholdings gegen den Vorstoss seien.

«Wir haben sicher nicht mehr Rechtssicherheit, wenn wir dem Bundesrat einen verbindlichen Auftrag erteilen, sich nicht an die Spielregeln der OECD zu halten», sagte Eva Herzog (SP/BS). Man müsse die Machtverhältnisse in der OECD mitbedenken, forderte sie. Negativ von der Motion betroffen wären Unternehmen, die mehr Steuern bezahlten als jene, welche nun Vorteile verlören.

Welche Rechtswirkung die Annahme der Motion entfalten würde, war zunächst nicht völlig klar. Ettlin betonte im Ständerat, es sei nicht das Ziel, den Q-Status gezielt in Frage zu stellen. Wie bereits Paolo Pamini (SVP/TI) am Montag im Nationalrat brachte er eine «enge» Interpretation der Motion ins Spiel. Demnach ginge es nur um das Steuerjahr 2024. So habe das Vereinigte Königreich die neue OECD-Regel angewandt.

USA scheren aus

Der Bundesrat war gegen den Vorstoss. Die mit der Motion beantragte Verordnungsänderung würde eine Abkehr von der bisherigen Strategie bedeuten, die Mindestbesteuerung international akzeptiert umzusetzen, wandte er unter anderem ein. «Die Motion birgt Risiken», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Sie äusserte zudem Zweifel daran, dass die Unternehmen tatsächlich wie beabsichtigt entlastet würden.

Ohnehin komme der Vorstoss zu früh, so Keller-Sutter. Man solle abwarten, was die Gespräche zum künftigen Steuerregime der USA ergäben.

Im Zentrum der OECD/G20-Steuerreform steht eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für alle Unternehmen mit einem Umsatz über 750 Millionen Euro im Jahr.

Nach seinem Amtsantritt hatte US-Präsident Donald Trump die globale Mindeststeuer für grosse Unternehmen in den USA für unwirksam erklärt. Das Weisse Haus sieht das globale Steuerabkommen als unzulässigen Eingriff in die nationale Hoheit über Finanzen und Steuern. Im Juni hatten die G7-Staaten im Streit um die Mindeststeuer einen Kompromiss geschmiedet. Demnach werden US-Unternehmen von der globalen Mindeststeuer selbst ausgenommen, sollen aber in einem parallelen US-System einer Steuerpflicht unterliegen. Viele Details zu diesem sogenannten Side-by-Side-System sind noch offen.

mk/

(AWP)