Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne/ZH) verglich die zwei Motionen mit einer zweistufigen Rakete: Die erste Stufe sei ein Versuchsbetrieb und die zweite Stufe die Einführung. Glättli vertrat im Nationalrat die Mehrheit der Kommission.

Die erste Motion, welche ein Pilotprojekt für elektronische Unterschriftensammlungen vorsieht, wurde mit 124 zu 66 Stimmen angenommen. SP, FDP, Mitte, Grüne, GLP und EVP sowie der Bundesrat unterstützten das Anliegen, während die SVP es ablehnte.

E-ID für Unterschriftenabgabe

Das Pilotprojekt soll offene Fragen beantworten, wie Bundeskanzler Viktor Rossi, der den Standpunkt des Bundesrats vertrat, sagte. So sei zum jetzigen Zeitpunkt unklar, wie ein Bürger oder eine Bürgerin elektronisch unterschreiben könne. Eine Möglichkeit sei ein elektronischer Identifikationsnachweis (E-ID).

Über die E-ID muss aber zuerst das Volk der erarbeiteten Gesetzesgrundlage zustimmen. Das Parlament hatte diese in der vergangenen Wintersession beschlossen. Gegen das Gesetz wurde das Referendum ergriffen. Die Abstimmung findet Ende September statt.

Weiter sollen in der Pilotphase Kantone und Gemeinden miteinbezogen werden. Sie würden die Stimmregister führen, sagte Rossi. Zum weiteren Ablauf hiess es, dass der Bundesrat Ende 2026 über einen Beginn des Versuchs entscheiden soll.

Händische Unterschriften sollen möglich bleiben

Eine zweite Motion aus dem Ständerat verlangte, dass die Sammlung künftig nur über digitale Kanäle stattfinden solle. Der Text wurde abgeändert angenommen und geht zurück an den Ständerat. Nun verlangt der Vorstoss, dass digitale Unterschriften neben händischen Unterschriften möglich sein müssen.

Die abgeänderte Motion wurde mit 95 Ja- zu 91 Nein-Stimmen angenommen. Grundsätzlich gegen beide Vorstösse waren grosse Teile der SVP-Fraktion.

«Volksinitiativen und Referenden sind keine Internetumfragen», sagte Nationalrat Benjamin Fischer (SVP/ZH) als Vertreter der Kommissionsminderheit. Weiter argumentierte er damit, dass mit einer guten Adressdatenbank innert Kürze die nötigen Unterschriften gesammelt werden könnten. Die Unterschriftensammlung dürfe eine gewisse Hürde haben.

Reaktion auf den «Unterschriften-Bschiss»

Für eine Mehrheit im Nationalrat sollen mit der elektronischen Unterschriftensammlung die Volksrechte gestärkt werden. Es sei eine Weiterentwicklung der direkten Demokratie, sagte etwa Gerhard Andrey (Grüne/FR). Zudem würde es die Prozesse wie die Kontrolle der Unterschriften «massiv» verbessern, erklärte Nationalrat Marcel Dobler (FDP/SG).

Die Vorstösse wurden vergangenen September eingereicht. Damals berichteten die Tamedia-Zeitungen, dass es bei der Unterschriftensammlung zu mutmasslichem Betrug kam. Bekannt ist der Fall auch unter dem Schlagwort «Unterschriften-Bschiss». Die Bundeskanzlei hatte bereits 2022 rechtliche Schritte eingeleitet.

(AWP)