Die Erwerbsersatzordnung (EO) wurde ursprünglich eingeführt, um den Verdienstausfall von Dienstleistenden in der Armee zu ersetzen. In mehreren Schritten wurde der Leistungsumfang seither erweitert. Heute entschädigt die EO auch Einkommensverluste im Zusammenhang mit Elternschaft. Abgedeckt sind insbesondere der Urlaub nach einer Geburt oder einer Adoption sowie der Betreuungsurlaub für Eltern von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern.

Das Parlament hat mit mehreren überwiesenen Motionen eine weitere Erweiterung der EO-Leistungen angestossen. Mütter, Väter, die Ehefrau der Mutter sowie Eltern von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern oder Adoptiveltern sollen künftig Anspruch auf die Nebenleistungen der EO - also Kinderzulagen, Betriebszulagen und Zulagen für Betreuungskosten - erhalten.

Weiter soll die Betriebszulage, mit der ein Teil der Fixkosten von Selbstständigen während ihrer Dienstzeit gedeckt wird, auf alle EO-Bezügerinnen und -Bezüger mit einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgeweitet werden. Auch die Zulage für Betreuungskosten soll auf alle EO-Anspruchsberechtigten ausgeweitet werden.

Kritische Stimmen von SVP und FDP

Das Parlament ist damit grundsätzlich einverstanden. Nach dem Ständerat hat am Dienstag auch der Nationalrat die Vorlage in der Gesamtabstimmung gutgeheissen - mit 115 zu 82 Stimmen. Dagegen war die SVP- und ein Teil der FDP-Fraktion.

Deren Sprecherin Diana Gutjahr (SVP/TG) warnte vor einer schleichenden Entwicklung zu einer immer grösser werdenden Sozialversicherung. «Die EO ist keine Vollkaskoversicherung für alle Lebenslagen.» Die komplexe Vorlage führe zu Unklarheiten und sei eine «Basis für mehr Juristenfutter». Sie entspreche nicht mehr dem ursprünglichen Zweck der EO.

Auch die FDP hob den Mahnfinger. Zwar sei die vom Bundesrat präsentierte Vorlage sinnvoll und auch die vom Ständerat beschlossene Erweiterung mit geschätzten Mehrkosten von rund 75 Millionen Franken im Jahr tragbar, sagte Fraktionssprecherin Kris Vietze (TG). Die von der Nationalratskommission beantragte Ausweitung der Vorlage sei aber übertrieben. «Nicht mal im Übermass halten wir Mass», kritisierte sie.

Keine Obergrenze im Spital

Eine Mitte-Links-Mehrheit folgte jedoch den Anträgen der vorberatenden Kommission. Konkret beschloss die grosse Kammer, die Mutterschaftsentschädigung um die tatsächliche Dauer des Spitalaufenthalts der Mutter oder des Neugeborenen zu verlängern - ohne Obergrenze von 56 Tagen, wie sie Bundesrat und Ständerat vorgesehen haben.

Eine Folge dieser Anpassung wäre eine potenziell unbegrenzte Dauer des Kündigungsschutzes im Mutterschaftsurlaub. Deshalb fügte der Nationalrat eine Bestimmung ein, wonach der Kündigungsschutz um maximal 12 Wochen auf insgesamt 26 Wochen verlängert werden kann. Damit würden 94 Prozent der längeren Spitalaufenthalte von Neugeborenen abgedeckt.

Ein EO-Anspruch soll neu in allen Fällen bestehen, in denen das Kind oder die Mutter mindestens vier Tage hospitalisiert ist. In einem solchen Fall bedarf es keiner einschneidenden Veränderung des Gesundheitszustandes und keiner schlechten Prognose mehr. Weiter sollen beim Tod eines Neugeborenen künftig auch der Vater oder die Ehefrau der Mutter einen Leistungsanspruch haben.

Keine Beitragserhöhungen

Mit diesen Anpassungen möchte die Mehrheit Familien in schwierigen, aber seltenen Situationen besser unterstützen, wie Kommissionssprecherin Barbara Gysi (SP/SG) sagte. Die Befürwortenden der Vorlage hielten fest, dass die vorgeschlagenen Massnahmen ohne Beitragserhöhungen bei der EO möglich seien. Auch die Reserven von rund 200 Millionen Franken würden nicht angetastet.

«Es geht um eine Harmonisierung und nicht um einen exorbitanten Ausbau», sagte Lorenz Hess (Mitte/BE). Von einem Selbstbedienungsladen könne keine Rede sein. Die Anpassungen seien allesamt wünschenswert, hielt Patrick Hässig (GLP/ZH) fest. «Es handelt sich um einen wichtigen Fortschritt, der die EO fairer und familienfreundlicher macht.»

Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat.

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(AWP)