Der Verdächtige Jack Teixeira aus Dighton im US-Bundesstaat Massachusetts wurde am Donnerstag von der Bundespolizei FBI festgenommen. Eine zügige Anklageerhebung ist zu erwarten. Generalstaatsanwalt Merrick Garland zufolge lautet der Verdacht auf “unbefugte Entnahme, Aufbewahrung und Weitergabe von Verschlusssachen der nationalen Verteidigung.”

Für Pentagon-Verhältnisse war Teixeiras Job ziemlich unbedeutend. In einer Stellenbeschreibung der Air Force heisst es, dass Mitarbeiter wie er “unsere Kommunikationssysteme am Laufen halten und eine wesentliche Rolle für unseren anhaltenden Erfolg spielen.” Laut seiner Dienstakte trat er 2019 der Air National Guard bei.

Das wirft die unvermeidliche Frage auf: Wenn ein nachrangiger Angestellter Zugang zu solch sensiblen Informationen hat - wer dann eigentlich nicht?

“Es ist unerhört, dass diese Art von Dokumenten mit einer einfachen Einheit der Nationalgarde geteilt wird”, meint Dennis Wilder, ein früherer Redakteur des täglichen Geheimdienst-Briefings für US-Präsidenten. “Das ist ein echtes Pentagon-Problem.”

US-Präsident Joe Biden versuchte zwar, die Bedeutung der undichten Stelle herunterzuspielen, aber Experten und frühere hochrangige Regierungsbeamte sprachen von einer enormen Lücke, die nicht nur aktuelle Einschätzungen zum Krieg in der Ukraine offenbart, sondern auch die Art und Weise, wie die USA weltweit nachrichtendienstliche Informationen sammeln.

Ein Vertreter eines verbündeten Landes beschrieb, wie sofort die Telefone heiss liefen, als am Donnerstagabend ein Bericht der Washington Post zu dem Verdächtigen erschien, in dem beschrieben wurde, wie er die Dokumente online an Freunde und Bekannte weitergab. Darunter einige im Teenage-Alter. Der Vorfall werfe erneut die Frage auf, ob die USA überhaupt in der Lage sind, Geheimnisse zu bewahren.

Fast drei Millionen Personen haben Zugang zu geheimen Dokumenten

Um solche Bedenken auszuräumen, gab Verteidigungsminister Lloyd Austin noch am Donnerstag bekannt, er habe eine Überprüfung angeordnet, um solche Lecks künftig zu verhindern.

Dabei geht es zunächst einmal um die schiere Anzahl von Personen, die in US-Geheimnisse eingeweiht sind. Laut dem National Counterintelligence and Security Center hatten im Oktober 2019 fast drei Millionen Personen Zugang zu geheimen Dokumente.

“Es ist klar, dass wir ein Problem mit der großen Anzahl von Personen haben, die Zugang zu geheimen Informationen haben”, sagt Holden Triplett, Gründer von Trenchcoat Advisors und ehemaliger FBI-Beamter für Spionageabwehr in Moskau und Peking.

Die Einbeziehung eines grösseren Kreises ist dabei grundsätzlich beabsichtigt — sie geht zurück auf Reformen nach dem 11. September, als eine zu restriktive Auswahl von Empfängern als Mitgrund für mangelnde Wachsamkeit identifiziert worden war.

Teixeiras Einheit ist das 102. Aufklärungsgeschwader mit Sitz in Cape Cod, das laut seiner Website zuständig ist für “weltweite Präzisionsaufklärung” sowie “Unterstützung von Kampfeinsätzen und die innere Sicherheit”. Teixeiras Aufgabe bestand in Netzwerkverteidigung und er hatte eine Freigabe für “Top Secret/Sensitive Compartmented Information”, so ein US-Offizieller, der mit dem Fall vertraut ist.

Dies ist eine der höchsten Einstufungen, und sie setzt eine umfangreiche Überprüfung voraus. Teixeira hätte Zugang zu Informationen haben können, die sich “auf nachrichtendienstliche Quellen, Methoden oder analytische Prozesse beziehen oder von diesen abgeleitet sind und die durch formale Zugangskontrollsysteme geschützt werden müssen.”

An solche Lecks gewöhnt

“Es ist wichtig zu verstehen, dass wir strenge Richtlinien haben”, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. “Dies war ein vorsätzlicher, krimineller Akt, ein Verstoss gegen diese Richtlinien.”

Bislang war die öffentliche Reaktion anderer Nationen relativ verhalten, was auch daran liegen könnte, dass sie sich nach früheren Enthüllungen wie der von Edward Snowden im Jahr 2013, die zeigte, dass die USA einige ihrer engsten Verbündeten ausspionierten, an solche Lecks gewöhnt haben könnten.

“Ich musste jedes Jahr Kurse besuchen oder mich für den Umgang mit Verschlusssachen zertifizieren lassen”, sagt Generalleutnant a.D. Ben Hodges, der ehemalige Befehlshaber der US Army Europe. “Es ist echt peinlich.”

(Bloomberg)