"Die Rendite beträgt insgesamt 9 Prozent", sagt Compenswiss-Präsident Manuel Leuthold. Weil der Gewinn des Fonds von über 3 Milliarden Franken den Verlust der AHV-Rechnung in der Höhe von rund 1,5 Milliarden Franken überkompensiert, schliesst die AHV 2019 positiv ab. Leuthold: "Das negative Ergebnis wird durch den Fonds mehr als ausgeglichen."

Compenswiss verwaltet die Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO. Aktuell liegen in den Fonds insgesamt 37 Milliarden Franken. Präsidiert wird der Fonds von Manuel Leuthold, einem ehemaligen UBS-Banker.

2019 sei für den Fonds ein aussergewöhnliches Jahr gewesen, weil Obligationen, Fremdwährungen, Aktien, Immobilien und die Anlagen in Gold klar positiv abschlossen.

Mehr Immobilien und Aktien

Weil die AHV-Ausgleichsfonds gemäss neuen Berechnungen erst 2034 und nicht bereits 2030 aufgebraucht ist, wird die Anlagepolitik des Fonds per 2020 angepasst: Der Immobilien- und Aktien-Anteil im Fonds werden leicht erhöht.

Auch beim Verkauf von Wertpapieren – 2019 hat der Ausgleichsfonds Wertpapiere über 1,5 Milliarden verkauft – kommt es zu einer Änderung: "Mit der positiven Performance und neu den zwei Milliarden durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge sowie durch den Bund werden wir den Wertschriften-Verkauf ab 2020 stoppen."

Herr Leuthold, Sie verwalten mit dem AHV-Ausgleichsfonds 37 Milliarden Franken. Wie lief das Jahr 2019?

Manuel Leuthold: Für Compenswiss, der Gelder für AHV, IV und EO verwaltete, war 2019 ein sehr, sehr gutes Jahr. Die Rendite beträgt insgesamt 9 Prozent.

Dank der boomenden Börse?

Nicht nur, es haben alle Anlageklassen zu diesem guten Ergebnis beigetragen. Das ist selten. In anderen Jahren gab es Anlageklassen, die positiv und andere negativ abschlossen. 2019 war also ein aussergewöhnliches Jahr. Die Obligationen, Fremdwährungen, Aktien, Immobilien und sogar unsere Anlagen in Gold waren klar positiv.

2017 legte der Fonds 6,8 Prozent. Ist 2019 mit 9 Prozent also ein neues Rekordjahr?

Es ist sicher eines der besten Jahre.

War es leicht in einem Jahr der weit offenen Geldschleusen?

Die grosszügige Geldpolitik der Nationalbanken haben die Entwicklung von Aktien und Immobilien unterstützt. Und die negative Zinsentwicklung hat einen positiven Effekt auf die Bewertung von Obligationen.

Und wenn die Zinsen wieder ansteigen werden?

Dann werden wir den gegenteiligen Effekt bei den Obligationen sehen.

Mit welchen Folgen?

Es gibt einen doppelseitigen Effekt: Bei sinkenden Zinsen steigt der Wert der bestehenden Obligationen. Langfristig aber haben wir einen negativen Effekt, denn wenn ein Obligationen-Fonds erneuert wird, liegen die Zinsen tiefer – und die Rendite des Obligationen-Portfolios sinkt. Das hat Folgen, zumal unser Portfolio einen sehr hohen Anteil an festverzinslichen Wertpapieren aufweist.

Können Sie mit den 9 Prozent Rendite das Defizit bei der AHV ausgleichen, das durch das Umlageverfahren 2019 entsteht?

Das Ergebnis des Ausgleichsfonds wird 2019 das AHV-Defizit weit überkompensieren. Die Rechnung ist einfach: Bei 9 Prozent Rendite wirft der Fond bei 37 Milliarden Franken etwas über 3 Milliarden ab. Das Defizit der AHV für 2019 liegt zwischen 1 und 1,5 Milliarden. Das negative Ergebnis wird also durch den Fonds mehr als ausgeglichen. Aber das gilt nur für 2019.

Die AHV-Rechnung schliesst also 2019 insgesamt positiv ab.

Das ist so.

Also sind Sie zufrieden?

Dezember 2018 war sehr schlecht, entsprechend war das Jahresergebnis minus 4,2 Prozent. Wir müssen also bescheiden bleiben. Das Jahr 2019 ist sozusagen der Gunst der aller Umstände geschuldet – alles hat zum Positiven beigetragen.

Die Immobilienquote liegt seit Jahren bei 9,2 Prozent. Müssten Sie diese nicht endlich steigern, um vom Boom zu profitieren?

Nach dem positiven Ausgang über die AHV-Finanzierung von diesem Mai werden wir nächstes Jahr zwei Milliarden pro Jahr mehr Geld kriegen. Damit werden die Probleme der AHV um 4 oder 5 Jahre verschoben. Der AHV-Ausgleichfonds wird also nicht 2030 leer sein, sondern erst 2035. Das heisst, wir haben etwas Zeit gewonnen. Damit hat sich für uns auch der Anlagehorizont verschoben. Deshalb können wir den Immobilien- und Aktienanteil etwas erhöhen.

Um wieviel?

Der Anteil der Immobilien wird 2020 von 9 auf 10 Prozent erhöht Bei den Aktien wird ebenfalls leicht erhöht, bleibt aber im Bereich 24 Prozent.

Sie mussten 2018 Wertschriften im Umfang von 100 Millionen im Monat verkaufen. Fallen diese Verkäufe angesichts der positiven Performance jetzt weg?

Wir haben 2018 für 1,2 Milliarden Wertschriften verkauft, dieses Jahr waren es 1,5 Milliarden, also monatlich 125 Millionen. Mit der positiven Performance und den 2 Milliarden durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge sowie durch den Bund werden wir den Wertschriften-Verkauf ab 2020 stoppen.

Weshalb haben Sie den Verkauf nicht schon 2019 gestoppt?

Weil die Aussichten lange nicht positiv waren. 2018 endete schlecht, die Rendite war negativ. Anfang Jahr sah es auch nicht besonders euphorisch aus.

Der Bundesrat plädiert für eine Angleichung des AHV-Alters von 65 Jahre für Mann und Frau. Sie müssen das begrüssen.

Um die AHV nachhaltig zu sanieren, gibt es eine beschränkte Zahl von Lösungsansätzen. Man kann die Leistungen der Pensionierten senken, was wohl sehr schwierig wäre. Man könnte die Beiträge erhöhen, wie das mit der AHV-Finanzierung dieses Jahr gemacht wurde. Oder man kann die Bundesgelder für die AHV erhöhen, etwa durch die Mehrwertsteuer. Oder man erhöht das Rentenalter.

Ihre Präferenz?

Ich begrüsse alles, was das Vermögen der AHV längerfristig erhält. Wie diese geschehen soll, ist Aufgabe der Politik.

Die Gewerkschaften wollen eine 13. AHV-Rente einführen. Eine sehr teure Idee.

Ich kann mich nicht zur Initiative äussern. Aber es ist klar, dass sich der Fonds in den nächsten 15 Jahren leeren wird. Also müssten zusätzliche Ausgaben durch neue Einnahmen kompensiert werden.

Sie meinen: Es ist eine Schnapsidee?

Man kann alles machen. Wichtig sind die Nettoauswirkungen auf die AHV.

Haben Sie keine Angst, dass mit dem guten Ergebnis des AHV-Ausgleichsfonds der Reformwille in der Politik schwindet?

Wir dürfen uns angesichts des Ergebnisses 2019 freuen, aber es wird das Problem nicht lösen. Mit AHV-Finanzreform haben wir etwas Zeit gewonnen, aber wir müssen die AHV längerfristig wieder auf sichere Beine stellen.

Die AHV-Milliarden werden durch Firmen wie Blackrock, Barings oder State Street verwaltet. Wo bleiben die Schweizer?

Wenn wir Vermögen Schweizer Firmen anvertrauen können, dann tun wir das. Aber der Schweizer Markt wäre für diese Milliarden-Summen, die wir anlegen, zu klein. Wir sind gezwungen, einen Grossteil der Gelder im Ausland anzulegen, auch aus Risikogründen. Und wenn wir etwa im Ausland in Immobilien investieren, dann wollen wir mit Firmen zusammenarbeiten, die einen nachhaltigen Leistungsausweis haben und seit längerem grosse Beträge verwalten. Aber klar sind wir hier einem Währungsrisiko ausgesetzt. Gleichzeitig sind wir bestrebt, die besten Vermögensverwalter auszuwählen.

Sie sind stark in Blue Chips in USA investiert – und profitieren von Donald Trumps Steuerreform.

Die amerikanische Wirtschaft läuft sehr gut, bei den Ausleihen sind die Ausfälle bescheiden, die Firmengewinne sind sehr positiv. Davon profitieren alle Akteure. Ob und wie stark die Steuerpolitik von Donald Trump Folgen hat, dieses Urteil überlasse ich anderen.

Sie kriegen für Ihr 35 Prozent Pensum total 65'000 Franken. Erhalten Sie jetzt mit dieser Rekord-Performance einen Bonus?

Nein, keinen Rappen. Meine Kompensation ist fix. Und das ist gut so.

Oder gibt’s wenigstens ein Gratulationsschreiben von Sozialminister Alain Berset?

Auch das ist nicht vorgesehen, aber natürlich würde es uns freuen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei der «Handelszeitung» unter dem Titel «Rekordrendite beim AHV-Ausgleichsfonds – AHV schliesst 2019 positiv ab»