In der Autobranche und der Luftfahrt ist es ein Riesenthema, doch die Lebensmittelbranche ist davon genauso wenig verschont: Umwelt- und Klimadiskussionen. Sie sorgen für steigenden Druck auf die Geschäftsmodelle. Die Diskussionen um den CO2-Ausstoss in der Tierhaltung wie auch in der Produktion und dem Transport von Lebensmitteln wird Unternehmen beschäftigen.

Fans des Themas "Disruption" sagen komplett neue Geschäftsmodelle voraus - so weit, dass als "das nächste Apple" ein Nahrungsmittelhersteller vermutet wird. Für die Veränderungen in der Nahrungsmittelproduktion stehen die Stichworte "Agritech" und "Smart Farming": Dies steht für die Digitalisierung der Produktion, neue Anbaumethoden in der Landwirtschaft bis hin zum Bestreben, Lebensmittel mit an sich tierischem Ursprung ganz ohne tierische Grundlagen herzustellen. 

Von sich reden gemacht hat das mit Venture-Kapital aufgezogene US-Unternehmen Impossible Foods, das einen Burger ohne Tierbestandteile herstellt und die Bemühungen verdeutlicht, proteinhaltige Lebensmittel aus Pflanzen und mithilfe chemischer Prozesse herzustellen. Der Labor-Burger von Impossible Foods soll in Geschmack und Konsistenz einem echten Fleischprodukt in nichts nachstehen. Die Fastfood-Kette Burger King jedenfalls bietet ihn seit kurzem als "Impossible Whopper" an. 

Beim Kuhfutter wird angesetzt

Auch in der Schweiz entwickeln sich Start-ups, die beispielsweise im Gemüseanbau, der Unkrautbekämpfung oder bei Tierfutterzusätzen an neuen Verfahren und Methoden forschen. Vor allem Kühe und damit die Fleisch- und Milchwirtschaft stehen im Zentrum der Klimadiskussionen. Der Methanausstoss, der sich bei Lebewesen der Gattung Hausrind an beiden Enden des Körpers ereignet, wird durch Nahrungsmittelzusätze reduziert. Der Zusatz Ruminant des Schweizer Unternehmens Agolin, der den Methanausstoss um 15 Prozent reduziert und die Gesundheit der Kuh nicht beeinträchtigt, ist schon zertifiziert.

Während Start-ups neue Methoden für die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion entwickeln, kommen traditionelle Lebensmittelhersteller unter Druck. Es ist eine Auseinandersetzung Klein gegen Gross: Hier die forschenden Start-ups, dort die marktdominierenden Riesenkonzerne. Einige der Giganten richten sich schon nach dem Trend sich. Der niederländische Chemie-, Pharma- und Nahrungsmittelkonzern Koninklijke DSM etwa arbeitet an einem "green cow food", der die Emissionen von rülpsenden Kühen um ein Viertel einschränken soll.

Grösse allein reicht nicht

Aber wie sind Schweizer Unternehmen positioniert, wenn zum "Flight-Shaming" auch noch das "Food-Shaming" kommt? Grösse, Marktmacht und der Besitz berühmter Marken allein reiche nicht mehr aus, um als Nahrungsmittelunternehmen langfristig bestehen zu können, schreibt die Barclays-Bank in einer Branchenstudie. Jüngere Konsumenten treiben diesen Wandel an. Und erfahrungsgemäss reagieren Unternehmen auf Vorgänge, bei denen Diskussionen auf Social Media eine treibende Kraft sind, entweder überempfindlich oder weitgehend passiv.

Mit der Wachstumsstrategie von CEO Mark Schneider, der Nestlé auf die Themen Gesundheit und Wohlbefinden ausrichtet, passt der mit Abstand wichtigste Schweizer Nahrungsmittelhersteller insofern in die Welt künftiger Nahrungsmitteltrends. Das derzeit umstrittenste Thema Fleischproduktion nimmt beim 91-Milliarden-Konzern an Bedeutung ab, wie etwa der angestrebte Verkauf des deutschen Wurstherstellers Herta zeigt. Allerdings attestiert die Barclays-Studie das "gesündeste Portfolio" im globalen Food-Geschäft dem französischen Nestlé-Konkurrenten Danone.

Der Veränderungsdruck findet unabhängig davon statt, wie berechtigt oder widerlegbar die Argumente von Aktivisten sind. Es ist eine Frage der öffentlichen Diskussion. Auch bei einem Konzern wie Nestlé, der sich anpassen kann, bestehen Risiken. "Es steht und fällt mit dem Konsumenten", sagt Analyst Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank (ZKB).

Deren Präferenzen könnten sich schnell ändern, beeinflusst von Ernährungstrends, die vor allem in den USA alle paar Jahre ändern könnten. Als grösster Nahrungsmittelkonzern der Welt stehe Nestlé jedoch viel mehr im Rampenlicht und trage eine viel grössere Verantwortung, was ein Wettbewerbsnachteil sein könne, sagt Schwendimann.

Diskussionen um Fleisch und Milch

Die kleineren Schweizer Nahrungsmittelunternehmen stehen im Moment weniger stark im Zentrum der Diskussionen wie die globalen Nahrungsmittelmultis. Bei einem Zeithorizont von 15 Jahren kann sich aber alles verändern. 

Am meisten getroffen durch sich schnell wandelnden Konsumgewohnheiten würden die Fleischproduzenten Bell und Orior. Während Orior mit der Übernahme von Thurella vor knapp einem Jahr in den Markt mit Biogetränken eingestiegen ist, hat Bell mit der Herstellung von Vegi-Burgern begonnen. Wesentlich grösser wäre der Schritt zum fleischlosen, aber wie Fleisch schmeckenden Burger wie im Falle von Impossible Foods. 

Wenn Agritech-Start-ups einen solchen Burger herstellen können, werden sie auch Milchersatz produzieren können, der alle von Konsumenten verlangten Eigenschaften von Milch hat. Die Kritik an der Milchwirtschaft führt schon heute im In- und Ausland dazu, dass Produzentenverbände vermehrt das Produkt Milch in Kampagnen anpreisen. Dies bedeutet auch, dass sich ein derzeit sehr erfolgreiches Unternehmen wie der Molkereikonzern Emmi mit der Zeit vielleicht Gedanken machen muss.