Angesichts der Finanzmarkt-Verwerfungen im Zuge von Russlands Angriff auf die Ukraine reduzieren Hedgefonds ihre Risiken und suchen nach dem Notausgang. "De-Risking" ist das Schlagwort an der Wall Street, wo Positionen abgebaut, Aktien verkauft und Leerverkäufe gedeckt werden.
Nachdem bereits die Straffungspläne der Notenbanken die Märkte nervös gemacht hatten, blieb von den Turbulenzen nach dem russischen Einmarsch praktisch kein Vermögenswert verschont. Laut Daten des Marktforschers Sundial Capital Research ist die Volatilität bei Aktien, Anleihen, Rohstoffen, Gold und Öl jeweils mindestens so hoch wie seit einem Jahr nicht mehr. So breit gefächerte Erschütterungen wie derzeit gab es am Markt nur selten.
"Die Volatilität von allem nimmt rasant zu", konstatierte Jason Goepfert von Sundial am Montag in einer Analyse. "Einen so unglaublichen Schub von anlageübergreifender Besorgnis hatten wir in den letzten 30 Jahren selten."
Bislang gibt es nur wenige Anzeichen für eine regelrechte Panik, doch es besteht die Gefahr, dass sich die Verkäufe häufen. Die grossen Vermögensverwalter arbeiten nach komplexen Risikomanagement-Regeln. Steigende Volatilität bewirkt häufig, dass Vermögenswerte aus dem Portfolio genommen werden müssen. Solche Verkaufsphasen werden in Anlehnung an das Value-at-Risk- Modell als VAR-Schock bezeichnet.
Am Markt wächst die Sorge, dass die höheren Rohstoffpreise die Zuversicht der Verbraucher mindern werden. Der breite US-Aktienindex S&P 500 verzeichnete am Montag den stärksten Rückgang seit 2020, da man sich Sorgen über die Auswirkungen einer sich beschleunigenden Inflation machte. Der Nasdaq Composite Index ist nach seinem Rekordhoch inzwischen um mehr als 20 Prozent gefallen und ebenso wie in Deutschland der Dax in einen Bärenmarkt eingetreten. Von einem Bärenmarkt spricht man, wenn der Basiswert von seinem letzten Hoch mehr als 20 Prozent korrigiert hat.
"Die Marktvolatilität wird von völlig unvorhersehbaren Ereignissen angetrieben", hiess es in einer Analyse vom Marktforscher 22V Research. "Und das wird so lange so bleiben, bis es eine kurzfristige Lösung für den Krieg in der Ukraine gibt".
Der Cboe Volatilitätsindex VIX, der die impliziten Kursschwankungen im US-Börsenbarometer S&P 500 abbildet, ist auf den höchsten Stand seit Anfang 2021 geklettert. Der ICE BofA MOVE Index für US-Treasuries liegt inzwischen auf einem Niveau, das zuletzt auf dem Höhepunkt der Covid-19-Pandemie-Unsicherheit im März 2020 zu beobachten war. Der JPMorgan Global FX Volatility Index hat ebenfalls den höchsten Stand seit 2020 erreicht.
Aktien-, Staatsanleihe- und Rohstoffmärkte zeigten in puncto Volatilität "extreme Anspannung", schrieben Strategen der Grossbank Credit Suisse unter der Leitung von Mandy Xu am Montag in einer Analyse. Die Lage an den Devisenmärkten und bei den Credit Spreads sei im Vergleich besser.
"Alles spricht dafür, zu verkaufen und in Cash zu gehen", sagt Danny Kirsch, Chef des Optionsbereichs bei der US-Investmentbank Piper Sandler. "Die Stimmung ist einfach super mies."
(Bloomberg/cash)