Von Carnival, Marriott über Delta Air Lines bis zu Gap und Avis haben sich viele der vom Coronavirus-Ausbruch am stärksten betroffenen Unternehmen in den letzten Wochen Milliarden über Anleihen und Kredite beschafft.

Auch wenn ihre Gewinne zunichte gemacht wurden und nicht absehbar ist, ob und in welchem Masse sie jemals wieder rentabel sein werden, fliesst das Geld weiter. Solange sie von der Fed gestützt werden, sind die Anleger bereit, ihnen Kapital zur Verfügung zu stellen.

Schmerzhafte Konsequenzen

Aber da die Erwartungen einer V-förmigen Konjunkturerholung rasch schwinden, äussern sich immer mehr Branchenveteranen besorgt über diese Schuldendynamik. Einige warnen, dass dem Unternehmensanleihemarkt eine zukünftige Welle von Ausfällen droht, die das gegenwärtige Niveau von Unternehmensinsolvenzen im Vergleich dazu winzig aussehen lässt.

Andere sehen eine noch schlimmere Entwicklung. In diesem Szenario werden marode Unternehmen in Branchen, die stark von der Pandemie betroffen sind, weiterhin Kapital aufnehmen. Marktbeobachter wie der Chefökonom der Deutschen Bank, Torsten Slok, befürchten, dass eine neue Art sogenannter Zombie-Unternehmen entsteht.

Damit sind Firmen gemeint, die nicht genug verdienen, um Zinszahlungen zu leisten und teilweise von der Zentralbank am Leben erhalten werden. Dies werde in den nächsten Jahren tiefgreifende und schmerzhafte Konsequenzen für alle haben, vom Arbeitnehmer bis zum Investor.

Die Fed hat keine Wahl

"Die Fed und die Regierung mischen sich in den Prozess der kreativen Zerstörung ein", sagte Slok in einem Interview. "Je länger das anhält - dass Unternehmen am Leben gehalten werden, die ansonsten pleite gegangen wären -, desto mehr besteht die Gefahr, dass das allgemeine Wachstumspotenzial der Wirtschaft und die Produktivität leiden."

Diese Risiken bedeuten jedoch nicht, dass die derzeitige Politik der Fed falsch ist. Angesichts des Ausmasses des wirtschaftlichen Zusammenbruchs und des damit einhergehenden beispiellosen Anstiegs der Arbeitslosigkeit mussten die politischen Entscheidungsträger alles in ihrer Macht Stehende tun, um das Problem zu lösen, sagen viele Analysten. Es ist nur so, dass solch dramatische Eingriffe mit grossen Risiken verbunden sind, die später angegangen werden müssen.

"Die Fed hatte keine andere Wahl, als das zu tun, was sie getan hat", sagte Slok. Dennoch ist es genau diese dramatische Intervention, die Vermögensverwalter ermutigt, grössere Risiken einzugehen, um fettere Erträge zu erzielen.

"Man kann nicht sagen, wir werden alles tun, was nötig ist, und es nicht tun", sagte Jack McIntyre, Fondsmanager bei Brandywine Global Investment Management mit Sitz in Philadelphia. "Andernfalls wird die Fed an Glaubwürdigkeit verlieren." McIntyre sagte, er kaufe ausgewählte Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating anstelle von Staatsanleihen, "weil die Fed für den Markt ein Sicherheitsnetz ausgebreitet hat - wenn sich die Spreads ausweiten, wird die Fed einspringen." Das ist genau die Einstellung, die letztendlich zur Verbreitung von Zombies führen kann, sagen Ökonomen.

Fed-Sicherheitsnetz

Die tatsächliche Definition, was ein Unternehmen zu einem Zombie macht, hängt davon ab, wer gefragt wird. Die meisten sind sich jedoch einig, dass damit Unternehmen zusammengefasst werden, die ihre Schuldendienstkosten über einen bestimmten Zeitraum nicht aus den laufenden Gewinnen abdecken können.

Ein Blick auf den Markt zeigt, dass es an Unternehmen nicht mangelt, die dieser Beschreibung entsprechen würden, sollte es noch dauern, bis die Konjunkturerholung an Dynamik gewinnt.

Die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 ohne Finanzwerte werden im zweiten Quartal schätzungsweise um unglaubliche 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr sinken, wenn die vollen Auswirkungen der globalen Lockdowns zu spüren sind, sagt Bloomberg Intelligence.

Wie lange ist auf die Fed Verlass?

Gleichzeitig sind die Nettoemissionen von Unternehmensanleihen in die Höhe geschossen und könnten laut Bloomberg Intelligence in diesem Jahr bis zu 1 Billion US-Dollar erreichen.

Wenn das Tempo der Erholung schnell genug ist, sollten viele stark betroffene Unternehmen in der Lage sein, das Ruder herumzureissen, sagen Käufer von Unternehmensanleihen.

Die Frage, die Investoren und Ökonomen gleichermassen beschäftigt, lautet jedoch: Wie lange wird die Fed bereit sein, Unternehmen mit ihrer Zusicherung, Unternehmensanleihen zu kaufen, zu stützen, sollte sich die Erholung langsamer entwickeln als erwartet? Die Frage stellt sich insbesondere bei Sektoren, die am stärksten vom Covid-19-Ausbruch betroffen sind.

Probleme sind langfristig

Kreuzfahrtgesellschaften haben am Anleihemarkt in den letzten Wochen mehr als 8 Milliarden Dollar aufgenommen. Fluggesellschaften haben mehr als 14 Milliarden Dollar an neuen Finanzierungen von Banken und Investoren erhalten, obwohl die überwiegende Mehrheit der Flugzeuge weiterhin am Boden bleibt.

"Wir haben ganze Branchen, bei denen sich das Problem langfristig hinauszögern wird, oder die sogar dauerhaft gestört sein werden", sagte Vicki Bryan, eine langjährige Unternehmensanleihe-Analystin bei Bond Angle. "Die Kreuzfahrtbranche ist reif für eine Konsolidierung. Es sollten logischerweise die schwächeren Anbieter herausfallen. Aber das passiert nicht, weil wir spottbilliges Geld von der Fed haben, das wir bereit sind, in den Markt zu stecken."

Einige sagen, dass die Fed zwar die Liquidität am Unternehmensanleihemarkt gestärkt hat. Allerdings sei die Unterstützung nur vorübergehend und werde zu einer Stresswelle führen, wenn die Notenbank diese zurückschraubt.

Fehlallokation

"Es wird viele" Unternehmensanleihe-Ausfälle und Insolvenzen geben, wenn den Unternehmenskreditnehmern in den kommenden Monaten das Geld ausgeht, sagte Howard Marks, Co-Vorsitzender der Oaktree Capital Group, in einem Bloomberg-TV-Interview. "Es gibt grosse, hoch verschuldete Unternehmen und Anlageinstrumente, die von den Rettungsprogrammen der Regierung und der Fed wahrscheinlich nicht erreicht und versorgt werden."

Andere befürchten, dass die Interventionen der Zentralbanken Unternehmen viel länger am Leben erhalten und Investitionen und Beschäftigung in gesunden Unternehmen verdrängen. Eine ähnliche Entwicklung war in Japan während des "verlorenen Jahrzehnts" in den 1990er Jahren zu beobachten, als der Begriff "Zombie-Unternehmen" erstmals auftauchte.

"Das ist eine Fehlallokation von Kapital an Unternehmen, die nicht produktiv sind. In gewisser Weise werden damit Unternehmen mit hohem Wachstum Ressourcen weggenommen", sagte Slok von der Deutschen Bank.

(Bloomberg)