Während sich das Coronavirus auch außerhalb Chinas immer mehr ausbreitet, tun sich Regierungen, Unternehmen und Bildungseinrichtungen schwer, die richtige Antwort darauf zu finden. Natürlich hat der Schutz der öffentlichen Gesundheit Priorität. Aber wie kann dies gewährleistet werden, ohne die gesamten Einwohner des Landes, in dem der Ausbruch begann - und in dem fast ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt - zu stigmatisieren.

Nachdem die Zahl der Todesopfer weltweit auf 213 kletterte und die Anzahl der Infizierten in China über 9.600, nehmen die Sorgen zu. Viele globale Unternehmen mit Niederlassungen in China haben ihre Mitarbeiter gebeten, zu Hause zu bleiben. Fluggesellschaften streichen China-Flüge. Mehrere Länder, darunter auch Deutschland, haben damit begonnen, Bürger aus dem am stärksten betroffenen Gebiet rund um die Stadt Wuhan zu evakuieren.

Obwohl die überwiegende Mehrheit der Infizierten aus der zentralchinesischen Metropole oder nahe gelegenen Städten kommt oder mit ihnen in Kontakt gestanden hat, gaben Menschen mit asiatischem Aussehen auf der ganzen Welt an, seit Beginn der Ausbreitung der Krankheit wachsender Vorsicht ausgesetzt zu sein. In einigen Fällen ist es auch zu unschönen Szenen gekommen.

Keine Chinesen erlaubt

In Südkorea tauchten Schilder in Fenstern von Restaurants auf, auf denen steht: “Keine Chinesen erlaubt“. Ein auf ausländische Besucher zugeschnittenes koreanisches Kasino erklärte, keine Touristengruppen aus China mehr zu akzeptieren. Mehr als eine halbe Million Menschen haben eine Petition unterschrieben, die der Regierung vorgelegt wurde und ein Besucherverbot der 1,4 Milliarden Bewohner des Nachbarlandes forderte.

Eine chinesische Frau, die die japanische Stadt Ito auf einer Halbinsel südlich von Tokio besuchte, sagte, ein Kellner in einem Restaurant habe ihr “Chinesin! Raus!” zugerufen, zeigte eine Aufzeichnung, die auf einem Weibo-Account geteilt wurde.

Die Aufzeichnung, die einen anschließenden Telefonanruf an das ungenannte Lokal beinhaltete, wurde von einem Reporter des in Hongkong ansässigen Fernsehsenders Phoenix TV geteilt. Eine Frau, die im Restaurant ans Telefon ging, sagte darin, sie lehne Kunden aus China und Südostasien ab, weil der Besitzer sich wegen des Coronavirus Sorgen mache. “Wenn unser Besitzer sich mit dem Virus infiziert und stirbt, wessen Verantwortung ist es dann?”, fragte sie.

Alte Spannungen kochen wieder hoch

Abgesehen von gesundheitlichen Bedenken ist die Reaktion in Südkorea und Japan auf das Virus auch Ausdruck langjähriger Spannungen mit China sowie der Unzufriedenheit über den wachsenden Einfluss des Landes in der Region. Dass der Zustrom von Besuchern aus China die Wirtschaft von Nachbarländern wie Südkorea ankurbelt, ändert daran nichts. In den drei Monaten bis Ende November stieg der Zustrom von Touristen aus China nach Südkorea gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel auf mehr als 5,5 Millionen.

Aber die Anzeichen für einen Mangel an Sensibilität sind nicht auf Asien beschränkt. Die französische Regionalzeitung Courrier Picard sorgte mit ihrer Überschrift “Gelber Alarm“ auf einer Titelseite für Empörung. Das Papier entschuldigte sich bei seinen Lesern, die es auf Twitter kritisiert hatten wegen der Anspielung auf “Gelbe Gefahr“ - einen fremdenfeindlichen Begriff aus dem 19. Jahrhundert, der Ressentiments gegen ostasiatische Völker schüren sollte.

In Dänemark forderte die chinesische Botschaft die Zeitung Jyllands-Posten auf, sich für eine Karikatur zu entschuldigen, in dem die chinesische Flagge mit Virensymbolen anstelle von Sternen auf rotem Grund dargestellt ist. Das Blatt lehnte es ab, sich zu entschuldigen, unter Berufung auf Dänemarks Tradition der Meinungsfreiheit.

In Australien wurden die chinesische Frauenfußballmannschaft und ihre Betreuer nach ihrer Ankunft für ein olympisches Qualifikationsturnier nach Angaben des Gesundheitsministers von Queensland in einem Hotel in Brisbane unter Quarantäne gestellt.

Menschen chinesischer Abstammung, die gar nicht aus China kamen, stießen ebenfalls auf schroffe Reaktionen. In Sri Lanka wurde einer Gruppe von Touristen aus Singapur - einem südostasiatischen Land, in dem die Mehrheit der Menschen chinesischer Abstammung ist - die Besteigung der Sehenswürdigkeit “Ella Rock” aufgrund ihres Aussehens verwehrt, erklärte Tucker Chang, einer der Touristen. Niemand in der Gruppe war in der Zeit davor nach China gereist.

Studentenbesuche verschieben

In Frankreich riet das Außenministerium Schulen und Universitäten, Studentenaustausch mit China zu verschieben. Mindestens eine Highschool in Paris hat Einladungen für eine Gruppe von chinesischen Schülern zurückgezogen, die diese Woche eintreffen sollten.

In Kanada starteten Eltern in Gemeinden nördlich von Toronto eine Petition. Danach sollen Schulen aufgefordert werden, Schüler, die kürzlich aus China zurückgekehrt sind, zu zwingen, mindestens 17 Tage zu Hause zu bleiben, um eine mögliche Ausbreitung der Krankheit zu vermeiden. Die Petition hat fast 10.000 Unterschriften in der Region gesammelt, in der große ethnisch-chinesische und asiatische Bevölkerungsgruppen leben.

Asiaten haben soziale Medien genutzt, um zu zeigen, wie verletzend und empörend ein solches Verhalten für sie ist. In den vergangenen zwei Tagen hat sich das Hashtag #jenesuispasunvirus - “Ich bin kein Virus“ auf Französisch - bei Twitter zu einem Trend entwickelt, nachdem sich Tausende von asiatischen Internetnutzern gegen die zunehmende Diskriminierung aussprachen.

(Bloomberg)