"Da eine Kooperation mit Nestlé für uns nicht in Frage kommt, sehen wir keine andere Option, als die Zusammenarbeit mit Ankerkraut schnellstmöglich zu beenden", schreibt der deutsche Youtuber LeFloid, der in den Sozialen Medien auch den Namen Doktor Froid verwendet, auf Twitter. LeFloid, 34 Jahre alt, der eigentlich Florian Diedrich heisst, ist wegen der Mehrheitsbeteiligung von Nestlé am deutschen Gewürzunternehmen Ankerkraut einigermassen fassunglos. 

Nestlé hatte am Mittwoch mitgeteilt, man habe die Anteile der bisherigen Ankerkraut-Investoren - EMZ Partners, Freigeist Capital und Knälmann Ventures - sowie Teile der Management-Anteile übernommen und werde damit zum Mehrheitseigentümer. Kaufsummen gaben weder Nestlé noch Ankerkraut bekannt. 

 

 

Die Kritik stammt von einem der bekannesten Youtube-Influencer der deutschsprachigen Welt. LeFloid unterhält mehrere Youtube-Kanäle und erreicht mit seinem Kanal DoktorFroid fast 700'000 Abonnentinnen und Abonnenten. Aber weshalb interessiert sich eine Social-Media-Grösse für Zukäufe des grössten börsenkotierten Unternehmens mit Sitz in der Schweiz?

Ankerkraut ist ein 2013 in Hamburg gegründetes Start-up. Die Gewürzmischungen, Saucen oder Tees des Unternehmens haben bei Köchen inzwischen Kultstatus erlangt. Auf Youtube-Kochkanälen werden Ankerkraut-Gewürze reichlich eingesetzt. LeFloid selbst verwendet in seiner Youtube-Koch-Format "Copy & Taste" eine eigens von Ankerkraut für ihn zusammengemixte Gewürzmischung. Selbstredend wurde dieses bisher auch als Merchandise für seine Fans vertrieben. 

Bekannt wurde Ankerkraut 2016 vor allem durch den Auftritt in der Fernsehsendung "Die Höhle der Löwen", wo die Gründerszene im Rampenlicht steht. Hinter dem bisherigen Investor Freigeist Capital steht der deutsche Tech- und Startup-Investor Frank Thelen (cash.ch hat ihn im Januar interviewt, zum Interview geht es hier), der sich nach der Sendung an Ankerkraut beteiligte und für 300'000 Euro 20 Prozent an der Firma erwarb. 

Frank Thelen verdient kräftig mit

Man vermutet, dass Thelen beim Verkauf gut verdient hat, möglicherweise ein Mehrfaches der ursprünglichen Summe. Die Beteiligungsfirma EMZ, die seit 2020 an Ankerkraut beteiligt war, hat nun das Investment nach eigenen Angaben verdoppelt. Heute zählt das Unternehmen 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erzielt nach eigenen Angaben einen Umsatz im "mittleren zweistelligen Millionenbereich". Bei erfolgreichen Start-ups wird oft das Mehrfache des Umsatzes, so genannte "Multiples", bezahlt. 

Ankerkraut wird den Angaben nach als eigenständige Firma mit eigenständiger Marke weitergeführt, die Gründer Anne und Stefan Lemcke bleiben als Gesellschafter und Markenbotschafter an Bord. Dass die Ankerkraut-Gründer den Verkauf an Nestlé vorher mit Geschäftspartnern wie LeFloid nicht vorgängig besprachen, löst allerdings noch gesonderten Ärger aus: "Wir haben eben erst durch Social Media erfahren, dass Ankerkraut die Mehrheit seiner Firmenanteile an den Konzern Nestlé verkauft hat", schrieb Youtuber LeFloid am Mittwochabend. 

Nestlé ist seit Jahrzehnten in der Kritik

Er habe deswegen eine "Gewissensentscheidung" getroffen, schreibt LeFloid. Nestlé steht wegen verschiedener Themen seit Jahrzehnten in der Kritik und löst immer wieder heftige Abwehrreaktionen aus. Nestlé sind immer wieder Preisabsprachen, unfaire Verkaufsmethoden, gesundheitsschädigende Lebensmittelzutaten, Umweltbelastung und die Zusammenarbeit mit Diktatoren vorgeworfen worden. Ebenso lange schon gibt es immer wieder Aufrufe, Nestlé zu boykottieren. 

Zuletzt hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Nestlé namentlich als Unternehmen kritisiert, das weiter Geschäfte in Russland macht. Nestlé bemüht sich allerdings seit Jahren auch, ein "saubereres" Image zu erhalten, lanciert grosse und marketingtechnisch begleitete Nachhaltigkeits-Initiativen und trennt sich beispielsweise von besonders ungesunden Lebensmitteln. Während Fondsgesellschaften Nestlé inzwischen hohe ESG-Ratings zugestehen, bleiben Exponentinnen und Exponenten der Öffentlichkeit gegenüber Nestlé kritischer. 

 

 

In den Sozialen Medien mehren sich die seit Mittwoch die Aufrufe, Ankerkraut nach dem Nestlé-Kauf zu boykottieren. Darunter mischen sich auch Stimmen, die sagen, konquenterweise müssten dann alle über 2000 Nestlé-Produkte - wie etwa Nespresso-Kapseln, Maggi-Gewürze, Nesquik oder diverse Schokoladenmarken - gemieden werden. Kritik gibt es auch, weil Ankerkraut schon bisher hohe Preise verlangt hat und als "Lifestyle"-Produkt gilt.

Gründer: Kritik geht nicht spurlos an uns vorbei

Die Gründer Anne und Stefan Lemcke riefen Kritiker unterdessen zur Mässigung auf. "Wir stehen als Marke von Beginn an für eine ganz besondere Kundennähe und einen engen Austausch mit unseren Fans", sagte das Gründerpaar am Donnerstag der Deutschen Presse-Agenur. Deshalb verschliesse sich Ankerkraut auch jetzt nicht der Debatte. "Was wir nicht akzeptieren, sind Hass im Netz und Beleidigungen der Menschen, die bei Ankerkraut arbeiten", betonten beide. Sie räumten ein, dass die vor allem über die sozialen Medien verbreitete Kritik nicht spurlos an ihnen und den Beschäftigten vorbeigehe.

Sie seien aber fest entschlossen zu beweisen, "dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen: Ankerkraut bleibt Ankerkraut, wir werden weiterhin als eigenständiges Unternehmen tätig sein". Das Gründer-Paar entschuldigte sich ausdrücklich bei erbosten Kooperationspartnern. "Es tut uns aufrichtig leid, dass wir sie nicht im Vorfeld informieren konnten und sie von der Nachricht überrascht wurden."

Mit Material von AWP.