Ein solches Abkommen soll es ermöglichen, dass auch in Europa hergestellte Elektrofahrzeuge für Steuergutschriften der USA infrage kommen. Das Ziel: Europäische Hersteller sollen bei der Vergabe der US-Subventionen nicht benachteiligt werden. Bei diesem Thema hatte es zuletzt besonders grosse Differenzen gegeben.
Rund anderthalb Stunden sprachen von der Leyen und Biden hinter verschlossenen Türen. Dabei ging es auch um andere Themen wie den Krieg in der Ukraine, doch der Subventionsstreit stand den Angaben zufolge im Mittelpunkt. Hintergrund für den Streit ist ein US-Gesetz, das milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz und Subventionen für die US-Industrie vorsieht. Das hatte in Deutschland und der EU grosse Sorge vor Wettbewerbsnachteilen ausgelöst. Das Problem aus deutscher und europäischer Sicht an dem sogenannten Inflation Reduction Act (IRA): Viele Subventionen und Steuergutschriften sind daran geknüpft, dass profitierende Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren.
Verständigung bei Elektroauto-Subventionen
Ein Stein des Anstosses für die Europäer sind die in dem Gesetz vorgesehenen Steuererleichterungen für Käuferinnen und Käufer von Elektrofahrzeugen. Diese Steuervorteile sind an bestimmte Vorgaben gebunden. Dazu zählt, dass ein bestimmter - in den kommenden Jahren steigender - Prozentsatz der Autobatterieteile aus den USA oder einem Land kommen muss, mit dem die USA ein Freihandelsabkommen haben. EU-Hersteller von Elektroautos befürchten grosse Nachteile auf dem US-Markt. Denn die Vereinigten Staaten haben verschiedene Freihandelsabkommen - etwa mit Kanada oder Mexiko. Mit der Europäischen Union gibt es ein solches Abkommen allerdings nicht.
Ziel ist es nun, ein Abkommen für den Bereich kritischer Mineralien mit Brüssel zu schliessen. Der Begriff Freihandelsabkommen ist in dem US-Klimagesetz nicht definiert. In der gemeinsamen Mitteilung der EU-Kommission und des Weissen Hauses ist nun von einem "gezielten Abkommen" die Rede. Von der Leyen betonte nach dem Treffen, man habe sich darauf geeinigt, daran zu arbeiten, dass in der EU gewonnene kritische Rohstoffen den gleichen Zugang zum amerikanischen Markt bekämen, als ob sie auf dem amerikanischen Markt gewonnen worden wären. "Wir werden an einem Abkommen arbeiten, was das betrifft."
Künftig bessere Absprachen
Biden und von der Leyen machten auch deutlich, ihre jeweiligen grossen Subventionsprogramme, den IRA und das neue grüne Industrieprogramm der EU, besser aufeinander abstimmen zu wollen. Mit dem grünen Industrieprogramm will auch Brüssel etwa den Zugang zu Fördermitteln erweitern und den EU-Staaten künftig mehr Freiheiten für eigene Subventionen geben. Geplant ist dazu nun ein neues Dialog-Format. Es soll dabei helfen, die jeweiligen Programme so zu koordinieren, dass sie einander stärken. "Beide Seiten werden Massnahmen ergreifen, um Störungen der transatlantischen Handels- und Investitionsströme zu vermeiden, die sich aus ihren jeweiligen Anreizen ergeben könnten".
Der IRA ist ein wichtiger innenpolitischer Erfolg für den US-Präsidenten. Er hatte bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, das Gesetz nicht noch einmal aufzuschnüren. Das bedeutet, dass es nun vor allem um Interpretationsspielräume und Anwendungsfragen geht. An der grundsätzlichen Ausrichtung des Gesetzes wird sich nichts mehr ändern. Biden hatte zuletzt immer wieder deutlich gemacht, vermehrt auf Begünstigung für die heimische Industrie setzen zu wollen.
Die Europäer hatten den USA in der Vergangenheit Protektionismus vorgeworfen. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte etwa im Januar, dass er es begrüsse, dass die USA Milliardensummen in Energie und Klimaschutz investieren wollten. Anforderungen an bestimmte Produkte dürften aber nicht zu einer Diskriminierung europäischer Unternehmen führen, mahnte der SPD-Politiker. Im Hintergrund arbeiten EU- und US-Vertreter seit Monaten daran, den Konflikt zu entschärfen.
Auch Ukraine-Krieg war Thema
Von der Leyen nutzte den Besuch in Washington auch, um mit dem US-Präsidenten über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beraten. Sie bedankte sich bei den USA für deren enorme Hilfe, die Abhängigkeit von russischen Brennstoffen zu beenden. Beide Seiten machten deutlich, verstärkt gegen Unterstützer Russlands vorgehen zu wollen. Man unternehme "gemeinsam neue Schritte, um weitere Akteure in Drittländern auf der ganzen Welt ins Visier zu nehmen". Der Fokus liege darauf, die Umgehung von Sanktionen durch Russland zu verhindern. Man arbeite im Gleichschritt, um russische Einnahmen einzuschränken und gleichzeitig die Energieversorgung in Schwellen- und Entwicklungsländern sicherzustellen.
Konkrete Massnahmen wurden zunächst aber nicht genannt. Biden sprach wie schon bei dem Gespräch mit Kanzler Scholz in der vergangenen Woche die Sorge an, China könne Russland mit Waffenlieferungen unterstützen. Für einen solchen Fall erwägen die USA Sanktionen gegen China. In Brüssel und Berlin war signalisiert worden, dass man diese gegebenenfalls mittragen würde.
(AWP)