Der britische Unterhändler David Frost hält einen Deal immer noch für möglich, sogar bis September. Allerdings sprach auch er von "grossen Gräben". Es werde nicht gelingen - wie von London gewünscht -, bis Ende Juli bereits Eckpunkte zu vereinbaren. Auch er schloss ein Scheitern nicht aus. Die EU habe noch nicht gemerkt, dass sie ihre Position den Prinzipien anpassen müsse, die London als wesentlich für seine Position und Zukunft als unabhängiges Land betrachte.

Gleichwohl gebe es "grosse Themengebiete, bei denen man sich näher kommt" und Vorlagen, an denen man sich orientieren könne, fügte Frost hinzu. Dazu gehöre beispielsweise die Rolle des Europäischen Gerichtshofs. London ist strikt dagegen, dass die Richter in Luxemburg eine Rolle bei Streitfragen in einem künftigen Abkommen spielen. Hier habe Brüssel Entgegenkommen signalisiert.

Grossbritannien sei zu Kompromissen bereit, wenn es um die Struktur des Vertrags gehe, ergänzte Frost. Die Briten hatten sich mehrere kleine Verträge gewünscht, während Brüssel ein umfassendes Abkommen will. "Wir werden weiter hart daran arbeiten, die Gräben zu überbrücken und einen Weg zu finden", so der Unterhändler.

Grossbritannien hatte die EU nach fast einem halben Jahrhundert Ende Januar verlassen. Doch gehört das Land noch bis Jahresende zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion. Verhandelt wird nun über ein Anschlussabkommen, denn sonst droht ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und Handelshemmnissen. Eine Frist zur Verlängerung dieses Übergangszeitraums liess London Ende Juni ungenutzt verstreichen.

Die Verhandlungen beider Seiten drehen sich seit Monaten im Kreis. Die EU bietet ein umfassendes Handelsabkommen, mit dem Grossbritannien seine Waren ohne Zölle und Mengenbegrenzung in den Binnenmarkt exportieren könnte. Im Gegenzug verlangt die EU gleich hohe Umwelt- und Sozialstandards, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Das Stichwort dazu heisst "Level Playing Field".

Grossbritannien will solche Vorgaben jedoch nicht akzeptieren. Hier hapert es Verhandlungskreisen aus London zufolge vor allem an der Forderung Brüssels, die Standards nicht nur einzufrieren, sondern eine Angleichung an künftige Erhöhungen zu vereinbaren.

Die Wettbewerbsbedingungen und die Fischerei seien für die EU zentral, betonte Barnier. Hier gebe es überhaupt keinen Fortschritt. Hier seien die Verhandlungen blockiert. Das bedeute: "Es gibt ein objektives Risiko eines "No-Deal"." Es brauche Bewegung auf britischer Seite. Doch unterstrich der EU-Unterhändler auch: "Ich bin überzeugt, dass ein Abkommen möglich ist, auch wenn es schwierig ist."

Kommende Woche will der Franzose wieder nach London fahren. Eine weitere Verhandlungsrunde soll am 17. August beginnen./vsr/DP/fba

(AWP)