Der Bauwirtschaft gehe es ausgezeichnet. Es werde gebaut wie nie zuvor, und die Auftragsbücher seien auch prall gefüllt, sagt der Bauverantwortliche bei der Gewerkschaft Unia, Nico Lutz an einer Medienkonferenz in Bern. So hätten die Umsätze im Bauhauptgewerbe in den letzten 15 Jahren um 50 Prozent zugenommen und die Arbeitsvorräte seien mit 15,6 Milliarden Franken per Ende September auf einem Rekordstand gewesen.
Doch das sei nur ein Teil der Realität im Bauhauptgewerbe, wie die Unia gestützt auf eine Umfrage bei über 12'000 Bauarbeitern vom vergangenen Herbst bemerkt. Fast vier von fünf Befragten hätten angegeben, dass der Termindruck in den letzten Jahren zugenommen habe.
Für nahezu drei Viertel der Befragten führt dieser gestiegene Druck zu mehr Stress. Als Konsequenzen hätten die Befragten angegeben, dass ihre Gesundheit leide (55 Prozent), die Qualität der Arbeit abnehme (52 Prozent) und die Arbeitssicherheit vernachlässigt werde (51 Prozent).
Bei den ebenfalls befragten Polieren seien die Antworten noch akuter ausgefallen. Fast zwei Drittel der Poliere hätten sich dahingehend geäussert, dass es oft an Ressourcen fehle, um Termine ohne Überstunden und Samstagsarbeit einzuhalten. Drei von fünf Polieren hätten sich darüber beklagt, dass es nicht ausreichend Zeit für die Arbeitssicherheit gebe.
Mehr schwere Unfälle
Dies zeigt sich laut der Unia auch in den Unfallzahlen. Insgesamt habe die Zahl der verunfallten Bauarbeiter in den vergangenen Jahren abgenommen. Die Zahl der schweren Unfälle im Bauhauptgewerbe habe aber zugenommen.
Über alle Wirtschaftszweige betrachtet hätten 2018 rund 60 von 1000 Arbeitnehmenden pro Jahr einen Berufsunfall erlitten. Im Baugewerbe seien die Zahlen der Berufsunfälle drei Mal höher als der Durchschnitt aller Branchen. Einer von sechs Bauarbeitern erleide jedes Jahr einen Unfall. Mehr als 120 Bauarbeiter hätten in den letzten zehn Jahren ihr Leben auf Schweizer Baustellen gelassen.
Die Gewerkschaft Unia will nun die Ergebnisse der Umfrage in den nächsten Wochen an Versammlungen in der ganzen Schweiz mit den Bauarbeitern besprechen und gemeinsam Forderungen diskutieren.
Erste Diskussionen hätten gezeigt, dass es verschiedene Forderungen an die Bauherren und die Arbeitsorganisation gebe. Wenn beispielsweise die Baupläne falsch seien oder nachträglich abgeändert würden, dann müsse auch der Endtermin angepasst werden.
Zudem brauche es klare Kriterien, wann die Arbeit im Freien eingestellt werden müsse, um die Gesundheit der Bauarbeiter nicht zu gefährden. Auch müsse die Zahl der möglichen Überstunden reduziert werden. Notwendig sei auch eine Reduktion der heute viel zu grossen Flexibilität, welche die Gesundheit der Bauarbeiter gefährde.
(AWP)