Grossbritannien und die Schweiz unternehmen gewissermassen kaum Versuche, das Coronavirus einzugrenzen. Auf die Länder würden in den nächsten Wochen daher eine Welle von Coronavirus-Fällen zukommen. Das ist die Meinung eines Regierungsvertreters des asiatischen Stadtstaates.

"Unsere Besorgnis bei Grossbritannien oder der Schweiz ist nicht die Anzahl der Fälle. Unsere Besorgnis ist, dass diese Länder jegliche Massnahmen aufgegeben haben, um die Ausbreitung des Coronavirus einzugrenzen und zu unterdrücken", sagte Lawrence Wong, Singapurs Minister für nationale Entwicklung, laut Bloomberg am Sonntag an einer Medienorientierung.

Weshalb Wong direkt auf die Schweiz und Grossbritannien abzielt, ist nicht bekannt. Wongs Aussage widerspiegelt aber die unterschwellige Meinung von Ländern wie Taiwan, Südkorea oder Vietnam, welche trotz Nähe zum Coronavirus-Ursprungsland China die Ausbreitung der Krankheit besser unter Kontrolle gebracht haben als europäische Länder. Ein Grund dafür ist, dass die Länder wegen früherer Epidemien wie Sars besser auf solche Epidemien vorbereitet sind.

Allerdings sind die Wirtschaftsräume in Asien gerade zum Beispiel in Singapur nicht so vernetzt und geografisch eng beieinander wie in Europa. Zudem sind Singapur und gerade Vietnam keine demokratischen Staaten aus westlichem Blickwinkel. Daher haben totalitäre Staaten auf dem Gebiet der Überwachung der Bevölkerung, des Datensammelns oder der Durchsetzung von Strafen andere "Handlungsspielräume" als westliche Demokratien.

Die Zahl der Coronavirus-Fälle in der Schweiz ist am Sonntag rasant angestiegen. Nach neuesten Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) gab es hierzulande bereits 2200 positiv getestete Fälle. Das waren rund 800 zusätzliche Fälle innerhalb eines Tages.

Die Massnahmen, die der Bundesrat am Freitag zur Bekämpfung des Coronavirus beschlossen hatte, sind seiner Meinung nach "einschneidend". Alle Schweizer Schulen, Hochschulen und weitere Ausbildungsstätten bleiben drei Wochen geschlossen. Bis Ende April verboten sind auch alle öffentlichen und privaten Veranstaltungen ab 100 Personen. Allerdings haben Nachbarländer wie Italien oder Österreich bereits härtere Massnahmen  umgesetzt.

Kein Verbot von Grossveranstaltungen in Grossbritannien

In Grossbritannien sind zum Beispiel Grossveranstaltungen noch nicht generell verboten und bisher nur wenige Schulen geschlossen. Gesellschaftliche Aktivitäten gehen weiterhin ihren normalen Gang. Nur wer Symptome wie Husten und Fieber entwickelt, wird aufgefordert, sich eine Woche lang in häusliche Isolation zu begeben.

Am Samstag hatten sich mehr als 200 Wissenschaftler an britischen Universitäten, darunter viele Mathematiker, in einem offenen Brief für drastischere Massnahmen ausgesprochen. Sie forderten umgehend Massnahmen der sozialen Distanzierung wie in Deutschland und anderen Ländern. Dadurch könnten Tausende Leben gerettet werden. 

Die britische Regierung musste ihren zögerlichen Kurs bei der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie am Sonntag verteidigen. Gesundheitsminister Matt Hancock bestand in einem Interview mit dem Sender Sky News darauf, dass die Massnahmen ausreichend seien. Eine Entscheidung über Grossveranstaltungen werde womöglich am Montag getroffen, kündigte er an.

(mit Material von Reuters und Bloomberg)