"Das Schlimmste liegt hinter uns", sagte Berset im Interview in der Online-Ausgabe der Tamedia-Zeitungen vom Freitagabend. Man müsse aber vorsichtig bleiben. Bis die gesamte Pandemie überwunden sei, dauere es noch einen Moment, auch weil viele Länder noch keinen Zugang zu Impfstoff hätten. "Doch bisher hat sich unser Weg bewährt", so der 49-Jährige. Das Virus werde wohl nicht mehr verschwinden, es werde zu einem Teil des Lebens, mit dem man umgehen könne, sagte Berset weiter.

Der SP-Politiker räumte in einer SRF-Sendung persönliche Fehler in der Bekämpfung der Pandemie ein. "Ich habe am Anfang die Wissenschaft zu wenig hinterfragt", sagte er am Donnerstagabend in einem Interview mit "Gredig direkt".

Es sei im vergangenen Jahr zu Beginn der Pandemie "sehr angenehm gewesen", als der Bundesrat im Einzelnen einfach die Position der Wissenschaft angehört und diese umgesetzt habe. "Dies hat dazu geführt, dass wir behauptet haben, das Masken sogar schädlich sein könnten", sagte Berset.

Die offizielle Position von vielen Experten aus der Wissenschaft habe damals gelautet, dass man in der Bevölkerung die korrekte Anwendung der Hygienemasken nicht einfach voraussetzen könne, und eine falsche Handhabung sogar schädlich sein könnte. "Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich das mehr hätte hinterfragen müssen", sagte Berset.

Der Minister verneinte allerdings, dass der Bund zunächst vom Tragen von Masken nur deshalb abgeraten habe, weil zu Beginn in der Schweiz zu wenig Exemplare für alle verfügbar waren. Wäre die Regierung damals der Überzeugung gewesen, dass Masken hilfreich seien, hätte man sich einfach mit dem vorhandenen Material arrangieren müssen, sagte Berset. "Dass wir zu Beginn nur auf die Maskenpflicht verzichtet hätten, weil es zu wenig Masken hatte, ist ein Märchen", sagte Berset in diesem Zusammenhang zu den Tamedia-Zeitungen.

Dagegen pries Berset in der SRF-Sendung die Entscheide des Bundes in der Impfkampagne. In der Schweiz würden die besten Impfungen gegen das Coronavirus eingesetzt, die es weltweit gebe, sagte der Gesundheitsminister. Es würden nur modernste Impfungen mit der mRNA-Technologie verabreicht. Bis im Sommer könnten das nur sehr wenige Länder überhaupt tun.

Die Krise habe den Teamgeist im Bundesrat gestärkt, meinte Berset weiter. Die Situation sei zeitweise allerdings "physisch sehr brutal" gewesen für alle Mitglieder des Bundesrats. Er habe nicht gewusst, ob er "das aushalten kann", sagte Berset. Nach dem ersten Schock sei er Ende April und Mitte Mai 2020 "richtig erschöpft" gewesen. Er habe unter sehr starkem Druck gestanden. Schlafen habe er aber glücklicherweise immer sehr gut können.

Althaus weist Kritik an Task Force zurück

Der Berner Epidemiologe Christian Althaus, der die wissenschaftlichen Task-Force des Bundes im Januar 2021 unter Protest verlassen hatte, beklagte am Freitag in einem Tweet "nachweislich falsche Aussagen" von Berset. Der Gesundheitsminister bemühe weiterhin das Narrativ, dass er von der Task Force erst spät über die epidemiologische Entwicklung gewarnt worden sei.

Die Wissenschaft sei ausserdem beim Entscheid zum Tragen von Masken im Mai/Juni 2020 ignoriert worden. Der ehemalige Präsident der Task Force habe laut einem Protokoll des Krisenstabes vom Mai 2020 festgestellt, "dass Masken schützen, ist common sense. Dies muss auch so kommuniziert werden."

Der Nutzen von Masken für die allgemeine Bevölkerung ist laut Althaus "primär von der eigenen Gesundheitsbehörde und dem dem ehemaligen Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten bestritten" worden.

Althaus stellte fest, dass er sich wünschen würde, dass der Bundesrat sein Handeln während der Pandemie kritisch hinterfrage und daraus die notwendigen Lehren ziehe. "Bei der nächsten Pandemie darf es nicht mehr dazu kommen, dass man das Land monatelang in einen Betäubungsschlaf schicken muss", so Althaus. Althaus hatte bei seinem Rücktritt betont, dass die Politik endlich lernen müsse, der Wissenschaft auf Augenhöhe zu begegnen.

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(AWP)