Die Landesregierung nahm am Mittwoch den Stand der Beschaffung und das nun fertiggestellte, wettbewerbskonforme Bewirtschaftungskonzept der Winter-Gasreserven zur Kenntnis, wie sie mitteilte. Zudem habe sie sich über den Stand der Vorbereitungen auf eine mögliche Gas- oder Strommangellage informiert.
Die Schweiz hat keine eigenen Gasspeicher und ist daher vollständig auf Importe angewiesen. Bis zu drei Viertel der Gaslieferungen in die Schweiz kommen aus Deutschland. Gäbe es einen Gasengpass in der EU, wäre deshalb auch die Schweiz stark betroffen.
"Wir wollen uns schon heute vorbereiten und eine mögliche Krise antizipieren", sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin vor den Medien in Bern. Energieministerin Simonetta Sommaruga sagte, es müssten alle zusammenarbeiten, um die Energiesicherheit sicherzustellen, Bund, Branche und Kantone. "Jetzt geht es ums Ganze."
Um die Gasversorgung zu stärken, hatte der Bundesrat bereits Anfang März beschlossen, dass die Branche rasch und gemeinsam Reserven einkaufen können soll. Mitte Mai hatte der Bundesrat eine dringliche Verordnung verabschiedet, welche die Gasbranche dazu verpflichtet, Speicherkapazitäten in den Nachbarländern und Optionen für zusätzliche Gaslieferungen zu sichern.
Bundesrat begrüsst Gasreserven-Konzept
Das fertige Konzept liege nun vor, teilte der Bundesrat mit. Dieses biete eine zusätzliche Absicherung und Diversifikation der Risiken für die kommende Winterversorgung. Einerseits sieht es die Schaffung einer physischen Gasreserve in den Nachbarländern vor. Ergänzt wird es mit Optionen für zusätzliche nichtrussische Gaslieferungen.
Das Konzept sieht vor, dass die Regionalgesellschaften den Einsatz ihres Speichergases im Rahmen des normalen Portfolios mit Vorsicht optimieren, unabhängig von der Krisenstufe. Drittlieferanten erhalten zu Marktkonditionen Zugang zum Speichergas.
Die Regionalgesellschaften führen für ihre Aufwendungen und Erträge im Rahmen der Winter-Gasreserve eine separate Buchhaltung, die von einer anerkannten, unabhängigen Revisionsgesellschaft geprüft wird. Der Bundesrat seinerseits versprach, dass er die wettbewerbsrechtlichen Grundlagen für die Umsetzung schaffen werde.
Bis 800 Millionen Franken für Optionsverträge
Gespräche für Abkommen mit Nachbarstaaten sind laut dem Bundesrat "am Laufen". Eine erste Verhandlungsrunde mit Deutschland hat diesen Monat stattgefunden. Dabei gibt es keine Garantie, dass die Nachbarländer in einer Versorgungskrise die Schweiz mit Gas versorgen würden. Zumindest mit Frankreich habe die Zusammenarbeit bisher allerdings stets funktioniert, sagte der Präsident der Schweizerischen Gasindustrie (VSG), FDP-Ständerat Martin Schmid (GR).
Um einen Engpass im Winter zu vermeiden, werden erhebliche Summen investiert. Schmid sprach von Investitionen zwischen 500 und 800 Millionen Franken für sogenannte Optionsverträge. "Wir hoffen, dass wir diese Kosten aus eigener Kraft stemmen können." Weitergegeben werden diese Kosten über höhere Preise, die schliesslich von den Konsumentinnen und Konsumenten getragen werden.
Sparappelle als erster Schritt
Der Bundesrat bereitet sich zudem konkret auf einen möglichen Gasmangel vor, zusammen mit den Kantonen und der Energiebranche. Droht eine Gas-Mangellage, sollen Sparappelle ausgegeben werden. Zweistoffanlagen, die mit Öl und Gas betrieben werden können, sollen auf Öl umgestellt werden.
Der Wirtschaftsminister rief die Industrie sofort auf, den Gasverbrauch zu reduzieren. Auch Liegenschaftsverwalter sollten sich daran halten. Dadurch versuche man eine Verschärfung so weit wie möglich zu verhindern, so Parmelin.
Der Bund plant zudem eine Sensibilisierungskampagne für Bevölkerung und Wirtschaft, welche einfach und rasch umzusetzende Energiesparmassnahmen vermitteln soll. Die Kampagne soll im Herbst als Vorbereitung zur Heizsaison starten.
Kontingente als letzter Schritt
Reichen die Sparappelle und die Umstellung auf Öl nicht aus, um den Verbrauch zu reduzieren, sollen Erdgas-Kontingentierungen folgen, allerdings mit Ausnahmen. Diese sollen insbesondere für an Erdgas-Verteilnetze angeschlossene Haushalte gelten. Hingegen soll bei allen nicht geschützten Kunden ohne Priorisierung kontingentiert werden.
Einschränkungen für die Verwendung von Gas werden zurzeit geprüft. Das Kontingentierungskonzept wird zurzeit vom Wirtschaftsdepartement überarbeitet. Im August wird der Bundesrat darüber befinden.
Kumulation von Unsicherheiten
Auch im Strombereich ist in der Schweiz die Versorgungsunsicherheit gestiegen. Einerseits wegen vielen Ausserbetriebnahmen infolge von Sicherheitsprüfungen bei den Kernkraftwerken in Frankreich. Andererseits liegt die Zuflussmenge bei den Stauseen dieses Jahr deutlich unter dem langjährigen Mittel. Ändern könne sich die Situation nur, wenn es einen nassen Sommer geben würde, sagte Werner Luginbühl, Präsident der Elektrizitätskommission (Elcom).
Es handle sich also um eine Kumulation von Problemen in der aktuellen Energieversorgung. Die kurzfristige Versorgung der Schweiz sei jedoch nicht gefährdet, so Luginbühl.
mk/
(AWP)