Oberflächlich gesehen ist die Sache einfach: Kursgewinne mit Aktien sind nicht steuerpflichtig. Dividenden hingegen schon, weil diese zählen zum Einkommen. Genauso ist es steuerlich irrelevant, wenn Obligationenkurse steigen. Nur der Zins oder Coupon einer Anleihe muss als Teil der Einkünfte versteuert werden.

Bei Dividenden kann zudem die 35 Prozent betragende Verrechnungssteuer zurückverlangt werden, die vor der Ausschüttung abgezogen wurde. Also ist Anlegen mit Aktien und Wertschriften zumindest, was Steuern betrifft, eine entspannte Sache.

Würde man meinen. Doch auch wer als Privatanlegerin oder Privatanleger in der Steuererklärung hohe Kursgewinne ausweist, kann von den Steuerämtern als "gewerbsmässiger Händler" eingestuft werden. Und das kostet dann.

«Ich habe es schon erlebt!»

Nach einem Beitrag von cash.ch über den Handel mit Warrants (hier) entspann sich unter Leserinnen und Leser eine Diskussion. Denn: Gerade mit Hebelproduken kann man ja viel verdienen. Oder auch mit Aktien, die sehr gut gelaufen sind: Am Schweizer Markt konnte man in den vergangene Monaten mit Titeln wie Relief Therapeutics, Blackstone oder Obseva, aber auch Zur Rose, Lonza oder Logitech unter Umtänden zehntausende von Franken verdienen - oder gar noch mehr. 

User "K.W." etwa schreibt: "Sobald sie [die Steuerämter] können, machen sie einen zum gewerbsmässigen Wertschriftenhändler - und schon habe ich auch noch das Problem, dass alle Gewinne der Börse versteuert werden müssen. Auch die Aktienkapitalgewinne. Sie müssen eine Buchhaltung führen und AHV-Beiträge bezahlen. Das schmerzt ganz schön. Habe es selbst erlebt." User Karl Doll meint dazu: "Ich finde [es] herrscht eine gewisse Willkür bei der Beurteilung, ob eine Privatperson als gewerbemässig eingestuft wird oder nicht."

Steuerverwaltung nennt Kriterien - auf eine Art

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) listet zumindest jene Kriterien auf, nach denen Kapitalgewinne steuerfrei bleiben. In einem im Schweizer Amtsdeutsch "Kreisschreiben" genannten Dokument sind folgende Punkte spezifiziert:

  • Kein exzessives Day-Trading: Wertschriften müssen mindestens sechs Monate vor dem Verkauf gehalten worden sein.
  • Keine zu grossen Kursgewinne: Das Transaktionsvolumen – zusammengezählt alles, was ge- und verkauft wurde – sollte innerhalb des Kalenderjahres nicht auf mehr als das Fünffache dessen ansteigen, was zum Jahresanfang an Wertschriftenguthaben vorhanden war.
  • Kein allzu grosser "Nebenverdienst": Die Kapitalgewinne werden nicht als Teil des Lebensunterhalts benötigt. Dazu gibt es eine Faustregel. Die Kapitalgewinne sollten alles in allem weniger als die Hälfte des Reineinkommens der steuerpflichtigen Person ausmachen.
  • Kein Anlegen auf Pump: Wertschriftenkäufe dürfen nicht mit fremden Mitteln finanziert werden. Respektive: Dividenden und Zinsen – die ja Einkommen und damit steuerpflichtig sind – müssen grösser sein als Schuldzinsen.
  • Kein "Zocken" mit Calls und Puts: Derivate wie Optionen, Warrants, sprich, Hebelprodukte dürfen nur als Absicherung eingesetzt werden.

Wird letzter Punkt etwa strikt angewendet, müssten also alle Steuern bezahlen, die mit Optionen spekulieren - so wie derzeit Heerscharen von Anleger, die sich auf die Hype-Papiere wie GameStop, AMC oder andere sehr im Rampenlicht stehende Investments gestürzt haben.

Doch: Die Steuerämter haben auch einen Ermessensspielraum. So kann man durchaus hohe Buchgewinne einfahren, aber nicht den Eindruck erwecken, damit einer "Erwerbstätigkeit" nachzugehen. Die Beamten schauen da vielleicht gar nicht so genau hin. Auch wer eine Aktie häufig kauft und verkauft, ist nicht unbedingt ein "Trader" im Sinne des Steueramts.

Selbst wer also eines der fünf Kriterien nicht erfüllt, kommt schnell einmal davon – oder nicht? Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser von cash.ch, schon mal die Erfahrung gemacht, als "gewerbsmässige" Traderin oder Trader eingestuft worden zu sein? Geben Sie dazu eine Antwort in der cash-Umfrage.