Daran ändert auch die Virusvariante Omikron mit ihrem potenziell milderen Verlauf nichts, die andere Länder inzwischen an Exit-Strategien aus jahrelangen Corona-Massnahmen feilen lässt. Experten gehen davon aus, dass China auf absehbare Zeit an seiner Null-Covid-Strategie festhält.

Die Pekinger Führung gehe offenbar fest davon aus, dass dieser Weg auch bei der besonders ansteckenden Mutante wirke, sagt etwa Yanzhong Huang, Gesundheitsexperte bei der US-Denkfabrik Council of Foreign Relations. Doch damit könnte die Regierung von Präsident Xi Jinping scheitern - mit weitreichenden Folgen für den sozialen Frieden und dramatischen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

«Noch nicht gegen Covid-19 immun»

Die drastischen Massnahmen haben das Corona-Virus in China in den vergangenen zwei Jahren zwar weitgehend im Zaum gehalten. Mit Omikron gelten aber andere Regeln, wie Huang erklärt. "Mit einem grossen Bevölkerungsanteil, der noch nicht gegen Covid-19 immun ist, sollte es für diese neue Variante ein Leichtes sein, sich schnell zu vermehren und in China auszubreiten." Auch gilt die im internationalen Vergleich zeitige Entwicklung eines eigenen Impfstoffs einigen Beobachtern letztlich als eher ungünstige Konstellation. So könnten die schon früh in China verabreichten Präparate Studien zufolge weniger wirksam gegen Omikron sein als die im Westen eingesetzten mRNA-Wirkstoffe wie beispielsweise jene aus den Laboren von BioNTech.

Bei einem Scheitern drohen noch strengere Lockdowns

Ein Opfer seines eigenen Erfolgs sei China geworden, urteilte kürzlich das in den USA ansässige Beratungsunternehmen Eurasia Group. Die anfängliche Wirksamkeit der Nulltoleranz-Strategie gegenüber Covid-19 und die Verbindung dieser Politik mit der Person von Präsident Xi machten es für die Pekinger Führung unmöglich, den Kurs zu ändern. "Chinas Politik wird daran scheitern, Infektionen einzudämmen, was zu grösseren Ausbrüchen führt und damit wiederum zu noch strengeren Lockdowns." Die Analyse veranlasste die Staatszeitung "China Daily" zu einem wütenden Kommentar, in dem die Einschätzung als eine "lächerliche Mutmassung voll politischer Vorurteile" gebrandmarkt wurde.

Die Führung betone immer wieder die Risiken, die auch von der neuen Mutante ausgingen, sagte Huang vom Council on Foreign Relations. Das mache einen Ausstieg aus den strikten Massnahmen aber noch schwerer. Und so verteidigen die Behörden vehement die weiter verfolgte Strategie als wirksam: Nur durch die sofortige Beseitigung von Infektionsherden könne sichergestellt werden, dass die Bevölkerung "glücklichen und friedlichen" Feiertagen entgegensehen könne, sagte ein Vertreter der Nationalen Gesundheitskommission. Die bevorstehenden Feiern zum Chinesischen Neujahrsfest, zu dem normalerweise Millionen Menschen reisen, haben bereits in vielen Städten zu weiteren Einschränkungen geführt.

Verheerende folgen für Lieferketten

So wurden in der Wirtschaftsmetropole Shanghai ganze Büroviertel abgeriegelt, Kaufhäuser geschlossen und Schulkinder vorzeitig in die Ferien geschickt. In der Stadt, die einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt darstellt, war zuvor ein rasanter Anstieg von Fällen gemeldet worden, die laut den Behörden aus dem Ausland eingeschleppt wurden. In der ganzen Volksrepublik wurden in den vergangenen Wochen wegen Corona wieder zahlreiche internationale Flüge gestrichen. Die US-Bank Goldman Sachs hat ihre in China ansässigen Kunden gefragt, wie sie die Lage einschätzen. Das Ergebnis: Nur zehn Prozent rechnen in den kommenden Monaten mit einer Änderung der Corona-Politik.

Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf die ohnehin schon brüchigen Lieferketten weltweit haben, die nicht zuletzt die deutsche Industrie zu spüren bekommen dürfte. Die Corona-Pandemie sei weiter das bestimmende Thema, der erhoffte Boom nach der Krise bleibe aus, erklärte unlängst der BDI mit Blick auf das Wirtschaftsjahr 2022. Sollte die Omikron-Welle wichtige Handelspartner wie China oder die USA lahmlegen, hätte dies verheerende Folgen für die deutsche Exportwirtschaft, warnte der Industrieverband.

(Reuters)