Indem die Jahrestagung jetzt nachgeholt wird, demonstriert China als Ursprungsland der Pandemie, dass es grosse Fortschritte im Kampf gegen das Sars-CoV-2 genannte Virus gemacht hat. Von Normalität lässt sich auf der Tagung aber noch schwerlich sprechen, da strenge Massnahmen zur Vorbeugung gegen neue Infektionen getroffen werden mussten.

So wurde die Sitzung von sonst rund zehn bis zwölf Tagen auf etwa eine Woche verkürzt. Für die Reise in die Hauptstadt mussten die Abgeordneten jeweils einen Corona-Test bei der Abreise und bei der Ankunft in Peking machen. Viele kamen in Sonderzügen, um nicht im normalen Bahnverkehr zu reisen. In den Hotels sollen Abgeordnete im Restaurant einzeln an Tischen oder allein auf ihren Zimmern speisen.

Weit mehr als 4000 Delegierte sind zum Teil in Begleitung ihrer Mitarbeiter zu den Sitzungen des Volkskongresses und der immer parallel tagenden Konsultativkonferenz (CPPCC) angereist. Dieses Beratergremium verdienter Persönlichkeiten begann seine Tagung schon am Donnerstag. Ausländische Diplomaten, die an der Eröffnungs- und Schlusszeremonie teilnehmen wollen, müssen vorher zwei Tage im Staatsgästehaus in Isolation und einen Coronatest machen, wie Staatsmedien berichteten.

Die Zahl der zugelassenen Journalisten, die vor Ort berichten dürfen, wurde drastisch reduziert. Sie mussten sich auch einem Test und anderen Vorsichtsmassnahmen unterziehen. Pressekonferenzen finden im wesentlichen online statt. In der 10 000 Plätze zählenden Grossen Halle des Volkes wurde in Tagungssälen, Restaurants, Toiletten und Aufzügen die Luftzirkulation verbessert. Wo immer möglich wurden Ventilatoren aufgestellt.

Zu Beginn der Jahrestagung am Freitag gibt Regierungschef Li Keqiang seinen Rechenschaftsbericht vor den mehr als 2000 Abgeordneten. Mit Spannung wird erwartet, ob der Premier angesichts der Unsicherheiten durch die Coronakrise wie üblich wieder ein Ziel für das Wachstum der zweitgrössten Volkswirtschaft vorgeben wird. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft noch innerhalb der vorgegebenen 6,0 bis 6,5 Prozent gewachsen, sie ist aber im ersten Quartal 2020 um 6,8 Prozent eingebrochen.

Die Vorgabe für das Jahr ist wichtig für die Provinzen und Kommunen, die in alter planwirtschaftlicher Tradition ihre eigenen Ziele setzen und Pläne zur Förderung ihrer Wirtschaft machen. Der Premier könnte in der Krise aber auch andere Ziele beispielsweise für die Beschäftigung setzen. Mit Interesse wird ferner verfolgt werden, welche Konjunkturhilfen die Regierung ankündigen wird, um die in der Coronakrise angeschlagene Wirtschaft anzukurbeln.

Auf der Tagung wird auch der Haushalt vorgelegt. Aufmerksam werden Beobachter nicht nur die Neuverschuldung verfolgen, sondern auch die Erhöhung des offiziellen Militäretats, der in den Vorjahren meist überdurchschnittlich stark gesteigert worden war./lw/DP/jha

(AWP)