Um den Kompromiss war hart gerungen worden, denn Italien legte sein Veto gegen eine vorab ausgehandelte Kompromissformel ein und forderte eine stärkere Antwort der Europäischen Union auf die beispiellose Krise.

In der gemeinsamen Gipfelerklärung hiess es am Ende, die Eurogruppe solle binnen zwei Wochen einen neuen Vorschlag für gemeinsame finanzpolitische Massnahmen machen: "Diese Vorschläge sollten dem beispiellosen Charakter des Covid-19-Schocks Rechnung tragen, der alle unsere Länder trifft." Weitere gemeinsame Schritte behält sich die Staatengemeinschaft demnach ausdrücklich vor.

Wirtschaft in Bedrängnis

Ursprünglich sollte die Eurogruppe beauftragt werden, Details für Hilfen aus dem Eurorettungsschirm ESM zu erarbeiten. Die Rede war von einem Instrument zur "Pandemie-Krisen-Unterstützung". Gemeint waren vorsorgliche Kreditlinien des ESM. Die Kreditlinien stünden Staaten zur Verfügung, die wegen der enormen Unterstützungspakete für die heimische Wirtschaft in Bedrängnis geraten könnten. Der ESM hat rund 410 Milliarden Euro für Darlehen frei.

Dieser Vorschlag reichte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte aber nicht. Gemeinsam mit Spanien forderte Conte nach Angaben aus italienischen Regierungskreisen beim Videogipfel "innovative und angemessene Finanzinstrumente". Binnen zehn Tagen sollten die fünf Präsidenten der EU-Institutionen einen Vorschlag machen. Daraus wurde schliesslich der Kompromiss, dass die Eurogruppe binnen zwei Wochen Vorschläge machen soll.

Italien und Spanien sind in Europa am schlimmsten von der Coronavirus-Krise betroffen. Trotz schärfster Ausgangssperren sterben täglich Hunderte von Menschen an der neuen Lungenkrankheit Covid-19. Die Wirtschaft steht praktisch still, vor allem in Italien, das schon vor der Krise kaum noch Wachstum und riesige Schuldenberge hatte.

Selbstverantwortung für Schulden

Conte stellte nach den Angaben aus Regierungskreisen bei der Gipfelschaltung klar, dass er keine Vergemeinschaftung öffentlicher Schulden wolle. Jedes Land verantworte seine eigenen Schulden selbst und werde dies auch weiter tun. Doch müsse Europa gemeinsam handeln und eine starke Antwort auf die Krise finden. Sonst könne man das den Bürgern nicht erklären.

In einer Pressekonferenz am späten Abend sagte EU-Ratschef Charles Michel, man habe alle Möglichkeiten für eine Reaktion auf die Krise debattiert. "Wir tun alles, was nötig ist, um eine Lösung zu finden", sagte der Ratschef. Bei vielen Fragen sei man durchaus einig. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, man sei offen dafür, "alle anderen Möglichkeiten zu diskutieren, die auf dem Tisch liegen könnten".

Eine Gruppe von neun EU-Staaten - darunter Italien - hatte bereits ein gemeinsames Schuldeninstrument gefordert, bekannt als Corona-Bonds. Doch sind Deutschland und andere Staaten derzeit strikt dagegen. Die Debatte darüber dürfte nun aber weiter gehen.

Vor dem Gipfel hatte von der Leyen heftige Kritik an den Alleingängen der EU-Staaten in der Krise geübt, darunter einseitige Exportverbote, Grenzkontrollen und Störungen des Binnenmarkts in Europa.

Hilfe füreinander

"Als Europa wirklich füreinander da sein musste, haben zu viele zunächst nur an sich selbst gedacht", sagte von der Leyen in einer Sondersitzung des Europaparlaments. "Und als Europa wirklich beweisen musste, dass wir keine "Schönwetterunion" sind, weigerten sich zu viele zunächst, ihren Schirm zu teilen." Inzwischen hätten die Staaten aber begonnen, einander zu helfen. "Europa ist wieder da", sagte von der Leyen.

Sie forderte zudem eine enge Koordinierung unter den EU-Staaten bei der Rücknahme der Notfallmassnahmen gegen die Corona-Pandemie. "Andernfalls untergraben wir die Wirksamkeit der harten von uns ergriffenen Massnahmen", warnte von der Leyen im Anschluss an eine Videokonferenz mit den EU-Staats- und Regierungschefs. Die EU-Kommission werde zu diesem Zweck eine wissenschaftlich fundierte Ausstiegsstrategie entwickeln, erklärte sie.

Im ihrer Gipfelerklärung versicherten die 27 Staaten, die Probleme für den Warenverkehr an den teils geschlossenen Grenzen zu beheben. Gemeinsam soll die Beschaffung von Schutzausrüstung vorangetrieben und die Forschung an Impfstoffen gegen Covid-19 gefördert werden.

Gemeinsame Rückholung als Symbol

Nach Darstellung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bekannten sich die EU-Staaten zu einem solidarischen Vorgehen in der Coronavirus-Krise. "Wir sind entschlossen, diese Herausforderung gemeinsam zu bewältigen", sagte Merkel am Donnerstag anschliessend bei einer telefonischen Pressekonferenz in Berlin.

Merkel lobte zudem die EU-Kommission, die "sehr beherzt bestimmte Dinge in Gang gesetzt hat". Sie nannte die Initiative zur gemeinsamen Beschaffung von Schutzkleidung. Das sei zum Beispiel für kleinere Mitgliedsstaaten sehr wichtig. "Ich hoffe auch, dass das zu Erfolgen führt." Die EU-Kommission gehe zudem "unheimlich schnell" auf die Beihilfe-Anliegen der Mitgliedstaaten ein und handele sehr unbürokratisch. "Das ist sehr wohltuend."

Die deutsche Kanzlerin wies zudem darauf hin, dass nach anfänglich langen Staus der Warenverkehr in der EU inzwischen besser funktioniere. Auch die Rückholinitiative von im Ausland gestrandeten Bürgern sei eine "solidarische Aktion", weil alle Beteiligten jeweils auch viele Bürger anderer EU-Staaten mit nach Europa zurück gebracht hätten. "Das sind alles Zeichen aus meiner Sicht, wo man sagt, hier wollen wir doch miteinander solidarisch sein."

Merkel warnte aber gleichzeitig vor einer Debatte über eine Lockerung der Ausgehbeschränkungen. Es sei noch nicht der Zeitpunkt gekommen, um über eine Lockerung zu sprechen, sagte Merkel nach der EU-Videoschaltung. Sie müsse die Bevölkerung um Geduld bitten. Es werde sich erst in einigen Tagen zeigen, ob die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus überhaupt Wirkung zeigten. Es müsse daran gearbeitet werden, dass das Gesundheitssystem nicht durch eine zu hohe Zahl an Infizierten überfordert werde.

(AWP)