Vorbehaltlos hinter die Landesregierung stellt sich kaum eine Partei oder eine Organisation. Kaum eine Chance dürfte vor allem die zweite, strengere Version haben, welche die Landesregierung vorschlägt. Die mildere erste Version sieht in Innenbereichen die Einführung der 2G-Regel mit Masken- und Sitzpflicht vor. Die zweite Variante brächte eine Teilschliessung der Wirtschaft, die alle treffen würde.

Einigermassen einig ist man sich hüben wie drüben darin, dass Schliessungen wenn nur immer möglich verhindert werden müssen. Die Grünen möchten die Verschärfung sofort einführen und die Vernehmlassung am liebsten gleich sausen lassen, um Zeit zu gewinnen. Die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus werden laut Grünen-Präsident Balthasar Glättli nicht wirksamer, "wenn der Bundesrat sie zum zweiten Mal in die Konsultation schickt, statt sie zu beschliessen".

Die SP stellt sich hinter ihren Bundesrat Alain Berset. Der Bund reagiere endlich angemessen auf die Entwicklung der gesundheitlichen Lage. Die Booster-Quote müsse nun rasch erhöht werden. Diese Impfungen müssten bis Weihnachten "rund um die Uhr" angeboten werden.

Ganzer Massnahmen-Fächer

Auch die Grünliberalen ziehen die mildere erste Variante des bundesrätlichen Vernehmlassungspaketes vor. Dazu gehöre insbesondere 2Gplus, also Zugang nur noch für Geimpfte und Getestete und mit Maske. Laut Parteipräsident Jürg Grossen drängt die Zeit. Es brauche nun den ganzen Massnahmen-Fächer: Luftqualität, Hygiene, Testen, Homeoffice und "natürlich impfen".

Auf der anderen Seite des Reaktionsspektrum bezeichnet die SVP die flächendeckende Einführung der 2G-Regel als willkürlich. Sie helfe nicht, sei diskriminierend und diene nur als "Vorstufe zum Impfzwang für alle". Zudem nehme es der Bundesrat es widerspruchslos hin, dass heute weniger Intensiv-Personal und damit Betten zur Verfügung stünden als zu Beginn der Pandemie.

Mitte-Präsident Gerhard Pfister äussert zwar Verständnis für das Vorgehen des Bundesrates. Doch die seine Partei beobachte "mit Sorge", wie sich "diese Massnahmen auf den Zusammenhalt der Schweiz auswirken könnten". Die 2G-Regel oder einer 2Gplus-Regel bedeute "weitere Einschränkungen, welche die Solidarität der Bevölkerung auf den Prüfstand stellen".

Noch ziemlich hinter dem Berg mit ihrer Meinung hält sich die Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK. Eine 2G-Pflicht, eine Verschärfung der Homeoffice-Bestimmungen oder auch erneute Schliessungen seien auf Bundesebene zu regeln, da kantonal unterschiedliche Regelungen Ausweichbewegungen auslösen und in der Bevölkerung auf wenig Verständnis stossen würden, teilte die Konferenz mit. Zu den konkreten Vorschlägen des Bundesrates würden sich die Kantone nun äussern.

Frustrierte Nachtkultur

Viel Kritik gibt es von der Nachtkultur. Politisch sei man nicht weiter als im Oktober 2020. Es brauche eine Strategie statt eines politischen Eiertanzes auf dem Buckel der einzelnen Branchen. Wegen der fehlenden Erfahrungen mit 2G sei noch unklar, ob 2Gplus, mit Covid Test, eine Option für die nächsten Wochen sei.

Bei Gastrosuisse setzt man Fragezeichen hinter die Wirksamkeit von 2G. In umliegenden Ländern sei man trotz 2G schliesslich in einen Lockdown gegangen, sagte Präsident Casimir Platzer. Bergbahnen und Läden hätten bereits Massnahmen auf freiwilliger Basis beschlossen. Diese Möglichkeit sollte der Gastronomie auch zustehen, findet er. Er denke da zum Beispiel an gewisse Kapazitätseinschränkungen in Innenraumsektoren.

Hotelleriesuisse macht geltend, die vorgeschlagenen Massnahmen träfen die Branche hart. Er will Geimpfte und Genesene nicht einschränken. Der Verband ist für eine 2G-Regel, aber ohne Sitzpflicht. Auch eine Testpflicht für Geimpfte und Genesene lehnt Hotelleriesuisse ab; der Verband befürchtet Umsatzverluste.

Die Arbeitgeber und der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse bevorzugen ebenfalls die Variante ohne Betriebsschliessungen. Es wäre in den Augen von Economiesuisse zielführender, den Unternehmen Spielraum zuzugestehen, damit sie im Rahmen ihrer bestehenden Schutzkonzepte eine 2G-Regelung einführen können.

Umstrittene Homeoffice-Pflicht

Der Arbeitgeberverband (SAV) betont, dass die geltende Homeoffice-Empfehlung funktioniere. Er ruft seine Mitglieder dazu auf, sofort "noch rigoroser" auf Arbeit zuhause zu setzen. Dann werde die vom Bundesrat geplante Homeoffice-Pflicht zweitrangig.

Für den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) wäre eine Homeoffice-Pflicht "reine Symbolpolitik". Schliessungen erachtet er als "völlig inakzeptabel und schädlich für die Wirtschaft". Der SGV will deshalb lediglich die mildere vom Bundesrat vorgeschlagene Variante "kritisch prüfen".

Auch laut dem Arbeitnehmer-Dachverband Travailsuisse müssen Betriebsschliessungen als Massnahme gegen Covid-19 verhindert werden. Auch Teilschliessungen lehnt der Verband ab. Die Homeoffice-Pflicht solle wenn überhaupt, massvoll und zeitlich klar beschränkt umgesetzt werden. Travailsuisse begrüsst zunächst die vom Bundesrat vorgeschlagene Variante mit 2G-Regel plus Masken- und Sitzpflicht.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) schliesslich fordert vom Bundesrat die raschmöglichste Umsetzung der Verlängerungen der Lohngarantien bei Kurzarbeit. Bei einer allfälligen Homeoffice-Pflicht dürften die Arbeitgeber ihre Pflichten nicht umgehen. Auf den Kosten für das Homeoffice als Mittel der Pandemie-Bekämpfung dürften nicht die Arbeitnehmenden sitzen bleiben.

(AWP)